Frédéric Oriach
Der bewaffnete Kampf als strategische und taktische Notwendigkeit des
Kampfes für die Revolution
Ersten mai 1985
Verzeichnis
II.
Bewaffneter
Kampf und legale politische Aktion
III.
Aktualität
der Staatsfrage
IV.
Der
revolutionäre bewaffnete Kampf und der Marxismus
V.
Der
bewaffnete Kampf in der revolutionären Strategie
VI.
Die
politisch-militärische Frage
VII.
Hin
zum revolutionären Bürgerkrieg
1.
Die
Revolution ist nicht ein Existentialismus sondern ein konkretes Projekt.
Wir bezeichnen
uns als Kommunisten, was aber weder als Anspruch einer Identität noch als
moralische Aussage zu verstehen ist, — da der Wille zum Kommunismus
zweifelsohne auf ganz unterschiedlichen philosophischen Motivierungen beruhen
kann —, sondern als Sinnbezug und vor allem als Bezugnahme auf ein
konkretes präzises materielles Projekt. Eine Gesellschaft ohne Klassen und
damit ohne Staat, die Entfaltung der Menschheit im Sinn ihrer Bedeutung durch
die dialektische Auflösung der Widersprüche, welche die potentielle Menschheit in
einer primitiven Phase halten, in der das menschliche durch die Beherrschung
und Ausbeutung des Menschen durch den Menschen negiert wird. Diese Hoffnung ist
Triebkraft und Ziel unseres Kampfes, das revolutionäre Einwirken auf die
Geschichte ist somit die Praxis, die diese Zielsetzungen verwirklichen soll.
Wir stellen das klar, da allzu häufig unter dem Gewicht von Entfremdung,
Verfall der Willenskräfte, zermürbende Mittelmäßigkeit und Herdentrieb Hoffnung
und Wille in eine feige und ängstliche Flucht in einer Art
Gewerkschaftsbewegung des Alltags umgekehrt wurden.
Dann sprechen wir
von Revolution und geben dabei diesem Wort seinen ganzen Sinn, sein ganzes
Gewicht, seine extreme Genauigkeit und seine absolute Globalität wieder. Unser
Ziel ist es, die Revolution zu machen und nicht, « Kommunisten zu sein »,
sondern den Kommunismus als neue soziale Beziehung einzusetzen.
Dieses legt
politische Bestimmung mit strategischer Bedeutung fest. In der Tat, um unsere
Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung zu erreichen, müssen wir unsere Lage
innerhalb der Geschichte in den Griff bekommen. Durch unser Handeln in der
Gegenwart errichten wir unsere Zukunft. Aus diesem Grund wäre es historisch
gesehen selbstmörderisch, die revolutionären Bestrebungen in Richtung eines ( wenn
auch unbewußt ) in der Vergangenheit anknüpfenden Willens, sich
dem Sinn der Geschichte zu widersetzen, umzulenken. Das geschieht jedoch, wenn
manche dazu kommen, als Alternative den Rückschritt auf vorkapitalistische
Formen der gesellschaftlichen Produktion und Organisation vorzuschlagen oder
aber ( bei den angeblich radikalsten ) wenn das
politische Handeln sich darauf beschränkt, gegen alles zu sein, was die
kapitalistische Entwicklung kennzeichnet. Wir weisen hier auf den
Antiimperialismus, wenn er sich darauf beschränkt, sich den Wirkungen des
Imperialismus entgegensetzen zu wollen, dem Antimonopolismus, dem
Antifaschismus, das gegen alles und jedes sein, wobei die gesellschaftliche
Problematik auf Schnickschnack-Ideen in Form von Zwangsmonomanien beruht, wobei
z.B. als prinzipielle Frage die Politik der Kernenergie oder des Rassismus oder
des amerikanischen Imperialismus oder der»
Kriegsvorbereitungen » usw. gestellt werden. Genug Schnickschnack !
Die Realität läßt sich nicht zerstückeln, entweder faßt man sie in ihrer
komplexen Totalität oder man begreift sie nicht und bleibt ein Reformist der
versucht, irgendwelche Errungenschaften zu wahren, die integraler Bestandteil
der bourgeoisen Herrschaftsmechanismen sind. « Menschenrechte »,
« Freiräume », « Demokratie », « Unterschiede »,
« Autonomie » usw. eine lange Litanei bourgeoiser
Werte.
Wir wollen damit nicht sagen, man solle nicht bei Gelegenheit das
verteidigen, was ab und zu die Brutalität einschränken kann, das ist notwendig,
wie für die Arbeiterklasse der wirtschaftliche Kampf in den Betrieben notwendig
ist. Wir wollen nur sagen, daß es objektiv reaktionär ist, wenn man aus der
Defensive eine Politik machen will ( und wenn es die « Antiimperialistische »
Abwehr ist ). Revolutionär zu sein, bedeutet
nicht gegen die historische Entwicklung des Kapitalismus zu sein, sondern ganz
im Gegenteil für dessen Überwindung einzutreten. Man muß für die Vernichtung
des Kapitalismus durch seine historische Überwindung eintreten und nicht für
das vergebliche Bemühen, seinen unerbittlichen Gang zu verlangsamen.
Revolutionär sein heißt entschlossen in die Zukunft blicken, ein Projekt
mitleben, eine Zukunft errichten, neue im Kampf geschmiedete Werte entstehen
lassen.
2.
Die
imperialistische Realität in der wir uns befinden.
Unsere Absicht
ist hier nicht, die derzeitige Lage und die Arbeitsweise des Imperialismus zu
analysieren, sondern die Entscheidung für eine bewaffnete Politik zur
Machtübernahme und zur Durchsetzung der Revolution zu erklären. Im übrigen ist
es nicht die objektive augenblickliche Lage, die unsere strategischen
Entscheidungen und Projekte bestimmt, sondern erst ausgehend von unseren
historischen Plänen analysieren wir dann in der Folge die jeweilige Situation,
um ihr unsere Taktik möglichst wirksam anzupassen ( viele, auch
kämpfende Gruppen, tun das Gegenteil und lassen sich ihre strategischen
Entscheidungen von der jeweiligen Situation diktieren, was dazu führt, daß sie
etwas als « strategische Projekte » vorstellen, was
nur der mehr oder weniger partielle Versuch ist, Probleme des Imperialismus
usw. zu analysieren und was zeigt, daß sie keinerlei historische Perspektive
haben ). Doch da nicht jeder unbedingt alle unsere
Analysen und Vorschläge kennt, ist es vielleicht in dieser Einführung nützlich,
in großen Zügen die imperialistische Lage kurz zu skizzieren, in der unser
Kampf stattfinden muß.
Die derzeitige
Entwicklungsphase des Imperialismus ist gekennzeichnet durch eine strategische
Umorientierung, wobei es in erster Linie um die Herausbildung der
imperialistischen Zentren selbst geht, während sich die imperialistische
Produktionsweise in der vorherigen Phase zunächst in Richtung Peripherie
ausdehnte. Das bedeutet natürlich nicht, daß sich der Imperialismus aus der « Dritten
Welt » ( = 3/4 der
Welt ) zurückzieht, es sei denn, er ist angesichts des
Anstiegs der revolutionären und nationalen Befreiungskämpfe dazu gezwungen.
Ganz im Gegenteil, in den beherrschten Ländern erleben wir eine Verstärkung der
immer brutaler werdenden Ausbeutung, deren krimineller Charakter erst ganz zu
Tage tritt, wenn man weiß, daß dank der sozial-ökonomischen Strukturen dieser
Produktionsweise die mittlere Lebenserwartung in der Dritten Welt bei nur 54
Jahren liegt, und daß hier über 300 Millionen Menschen voll arbeitslos sind.
Die Entwicklung des Imperialismus, innerhalb dessen Frankreich eine treibende
Kraft ist, besonders als zweiter Unterdrücker nach den USA und als Vektor des
amerikanischen Imperialismus, führt zu einer ständigen Vergrößerung der
Ungleichheiten. Während im 17. Jahrhundert der Abstand zwischen dem reichsten
und dem ärmsten Land 1:2 betrug, liegt er jetzt bei 1:40. Und es wird immer
schlimmer, da es der Weltbank zufolge im Jahr 2000 in den « Entwicklungsländern »
700 Millionen Menschen geben wird, die in absoluter Armut leben. Das wird
dieser höchst amtlichen Stelle zufolge dazu führen, daß selbst unter den « Entwicklungsländern »
mit dem schnellsten Wachstum nur 9 darauf hoffen können, die Industriestaaten
einzuholen und auch das erst in 1000 Jahren !
Ausser natürlich wenn es eine radikalen Änderung der Produktionsweise gibt.
Wenn man das
wahre Wesen der heutigen imperialistischen Phase verstehen will, um ihr die
großen strategischen Linien, welche die revolutionäre Bewegung einschlagen muß,
anzupassen, so muß man sich ganz klar machen, daß die Trennungslinie nicht mehr
nur zwischen den beherrschten Formationen und den imperialistischen Metropolen
verläuft, sondern das diese selbe Linie sich auch in den imperialistischen
Zentren fortsetzt. Es wäre ein großer Irrtum, eine revolutionäre Analyse auf
rein ideologische oder moralische Kriterien zu gründen und davon auszugehen,
daß die Ausbeutung der Völker der Dritten Welt sehr viel krasser erscheint und
daß im Vergleich die Lage des Proletariats im Westen bevorzugt erscheint.
Einige gehen in ihrer ideologischen Beurteilung soweit, die Existenz des
Proletariats im Westen überhaupt zu leugnen, weil sie angeblich an der
Ausbeutung der Völker der Dritten Welt beteiligt sein sollen, was allerdings
dazu führt, daß man den revolutionären Kampf auf den Ausdruck einer einfachen
internationalistischen, auf die Dritte Welt ausgerichteten Solidarität
verkürzt, die außerhalb des Hauptrahmens für jede nationale, sozial-ökonomische
Formation steht, nämlich der Klassenkampf auf nationaler Ebene. Solche
Standpunkte, die charakteristisch sind für den kleinbürgerlichen
Intellektualismus, treffen sich mit dem Kretinismus der unwissenschaftlichen,
subjektivistischen Auffassungen von einer angeblichen « Verbürgerlichung »
der Arbeiterklasse ( was dann durch die Anziehungskraft der
Randgruppenexistenz ausgeglichen würde ). Das sind nur rein kulturelle
Rechtfertigungen der derzeitigen Passivität jener, die sich als Revolutionäre
bezeichnen und sich nur der Radikalisierung des Klassenkampfs durch einen
kommunistischen bewaffneten Kampf unter proletarischer Führung widersetzen
wollen.
Weit davon
entfernt, sich in einem materiellen Wohlstand aufzulösen, der die Unterschiede
zwischen den Klassen durch eine gerechte Neuverteilung der den Völkern der
Dritten Welt abgepreßten Superprovite einebnet, vergrößern sich die sozialen
Ungleichheiten auf allen Ebenen nur noch mehr. In Frankreich z.B. besitzen der
INSEE zufolge 1980 5 % der reichsten Haushalte 69 % des Gesamtvermögens ; die Kluft
zwischen den Einkünften der 125.000 reichsten Haushalte und den 10 % der ärmsten hat das Verhältnis 1:1000,
und übrigens mit steigender Tendens seit dem 2. Weltkrieg. Außerdem ergeben
sich hierbei sehr starke regionale Unterschiede ( was übrigens dazu
beiträgt, die schwachen Versuche, Westeuropa als ein vereinheitlichtes Feld zu
betrachten, in dem sich eine einheitliche revolutionäre Politik entfalten
könnte, in Frage zu stellen ), wenn man weiß, daß über 5 % der Bevölkerung Südeuropas in absoluter
Armut lebt.
Diese Lage
verschlechtert sich für das Proletariat laufend. 1985, also dieses Jahr, weist
die INSEE auf, daß bei den Nettolöhnen für 1984 72 % der Lohnabhängigen des privaten und
halböffentlichen Bereichs weiniger als 5660 FF pro Monat verdienen. In vier
Jahren « Sozialismus auf französische Art »
sind die Löhne der 10 % bestverdienenden schneller gestiegen als die der untersten 10 %. Die Frauen werden auch 1984 im
Durchschnitt rund 1/4 schlechter bezahlt als die Männer. Allein 1984 ist die
Zahl der 15- bis 24jährigen Erwerbstätigen um 226.686 Personen zurückgegangen ;
von 334.306 Jugendlichen unter 24 Jahren, die zwischen März 1983 und März 1984
ins Berufsleben eingetreten sind, sind 140.193 arbeitslos geworden und 124.889
haben einen nicht gesicherten Status ( nur 69.224 sind « normale »
Erwerbstätige geworden ).
Der Klassenkampf
als natürlicher Ausdruck des Konflikts zwischen Arbeit und Kapital stößt auf
Wirtschaftsmechanismen, welche die Gesetze des Markts und der kapitalistischen
Akkumulation und Reproduktion regeln, und diese Konfrontation hinsichtlich des
Preises der Arbeitskraft trägt zur natürlichen Tendenz des Sinkens der
Profitrate bei, die sich in der derzeitigen historischen Periode nur noch
weiter beschleunigt, weil sich diese durch das imperialistische Phänomen als
Ausdruck der erweiterten Reproduktion des Kapitals außerhalb der ursprünglichen
Produktionszentren gekennzeichnet hat und weil sie durch die nationalen
Befreiungskämpfe und die Ausweitung der sozialistischen Regimes auf den
Widerstand des Weltproletariats gestoßen sind.
Um diese Tendenz des Sinkens der Profitrate aufzufangen muß natürlich die
Ausbeutungsrate erhöht werden. Das versucht man durch eine Verlagerung der
imperialistischen Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise in die Bereiche
mit hoher Produktivitätsrate, der imperialistischen Metropolen selbst, zu
erreichen. Es ergibt sich eine intensivere Ausbeutung der Arbeit und somit auch
eine Erhöhung der Produktivitätsrate. Die Entsprechung dieses Prozesses in den
beherrschten Ländern ist in diesem Fall die verstärkte Unterentwicklung durch
eine Überspezialisierung in den Leichtindustrien ( als
Unterlieferanten der Industrien der imperialistischen Metropolen )
mit geringer Qualifikation und sehr niedrigen Löhnen. Diese imperialistische
Umgliederung erfolgt in dem Rahmen, der durch die sogenannte Wirtschafts « krise »
vorgezeichnet ist. Doch täuschen wir uns nicht, es handelt sich mehr um eine
Wachstums « krise » als um die Ankündigung eines
bevorstehenden spontanen Bankrotts. Nicht umsonst sind wir zu dem Punkt
gelangt, daß Finanzkreise beunruhigt einer möglichen Wahlniederlage der
Sozialisten bei den bevorstehenden Wahlen entgegensehen : in vier Jahren
Sozial-Faschismus hat sich der Börsenumsatz vervierfacht, während er unter der
vorherigen Regierung rückläufig war, der Gesamtwert der Aktien der Pariser
Börse ist von 200 Milliarden FF 1981 auf über 500 Milliarden 1985 gestiegen,
die Darlehen sind von 580 Milliarden FF in 1981 auf 1212 Milliarden in 1984
gestiegen, die französische Werte ( Aktien und Obligationen )
sind 1984 um 16,4 %
gestiegen und 1983 sogar um 56 %. Es steht also nicht alles so schlecht für das Kapital ! Die Krise bedeutet also nicht eine
wirkliche Schwächung des Kapitalismus, das in seine entwickelte imperialistische
Phase gelangt ist, sondern im Gegenteil die Geschichte zeigt uns, das der
Kapitalismus fortschreitet und sich durch die Krisen hindurch entfaltet, welche
das Spiel seiner inneren Widersprüche offenlegen. In diesem Kontext müssen wir
unsere heutige Lage sehen.
II.
Bewaffneter
Kampf und legale politische Aktion
1.
Der
bewaffnete Kampf kann nicht das spontane Produkt der Massenbewegung sein.
Alles hängt davon
ab, was man unter bewaffneten Kampf versteht und welche Rolle man ihm
zuerkennt. Es kann sich um eine einfache Form des Kampfes handeln, deren
Besonderheit nur darin liegen würde, sich dort anzusiedeln, wo man ein erhöhtes
Gewaltniveau wahrnimmt. Die bewaffnete Struktur würde also darauf abzielen, der
bewaffnete Arm der Massenbewegung zu sein, der die Ebenen der Konfrontation
übernehmen würde, die für die legalen Strukturen zu hoch sind. In diesem Fall
würde die bewaffnete Struktur aus der legalen Struktur hervorgehen und damit
aus einem Prozeß, der zumindest teilweisen Radikalisierung dieses legalen
Teils, was von vorneherein enge Bindungen zwischen den beiden und die
Beibehaltung dieser Verbindungen durch eine gegenseitige Durchdringung der
beiden Strukturen impliziert. In dieser Perspektive kann man also als
Hauptaufgabe festhalten, die durch die Legalität definierten Räume maximal zu
besetzen. Die Entwicklung der Guerilla erfolgt dann in Form einer bewaffneten « Bewegung »,
als Fortsetzung der legalen Bewegung. Schematisch ist das etwa die
Entscheidung, die Gruppen wie Prima Linea ausgehend von der autonomen Bewegung,
die Bewegung 2. Juni,
die abgespaltene Gruppe der Napap die gegen uns gestellt hat, Action Directe ( deren
Problem es am Amfang ist, daß das rasch schief gelaufen ist )
usw. getroffen haben.
Diesen
Konzeptionen von bewaffnetem Kampf entsprechen aus theoretischer Sicht dem, was
die Theorien der autonomen Bewegung waren ( in ihren
subjektivistischen wie in ihren arbeiterorientierten Versionen ).
Auf der subtilsten Ebene entspricht dies den Gedankengängen im Stil von
Guattarri-Deleuze, einer Moliekularisierung der Kämpfe durch ein Netz von
Kluften und Freiheitsräumen, die sich aus Strömen von Wünschen ergeben und die
man soziologisch als die Forderung nach zu erfüllenden Unterschieden ( Selbstaufwertung
dieser oder jener Kategorie usw. ) bezeichnen könnte. Es handelt sich dabei
um den Willen zur Dekodierung, das heißt nach Überwindung der von den
herrschenden Strukturen zugewiesenen Territorien. Das klingt verführerisch,
doch muß man sehen, daß diese Entterritorialisierung nur auf Wünschen und
Realitäten beruhen kann, die Produkte oder Bestandteile der strukturellen
Tätigkeit selber sind ( es sei denn man ist philosophisch völlig Idealist ).
Das bewirkt, daß die Besetzung sogenannter entkodierter Bereiche faktisch nur
der Ausfüllung und Verstärkung der Räume entspricht, die strukturell durch das
System mit dem Ziel, seinen eigenen Funktionsbedürfnisse zu erfüllen, definiert
sind ( Räume der Machtausübung oder Ausbeutung ).
Diese Entscheidungen scheinen mir somit voll den Interessen des derzeitigen
Systems und seines permanenten historischen Entwicklungs-und Ausbauprozesses zu
entsprechen. Und die in der von Wirtschaftlern, Soziologen, Politikern und
verschiedenen Zukunftsforschern der bourgeoisen Herrschaft empfohlenen
Entwicklung in Richtung auf das, was sie eine « duale »
Gesellschaft nennen ( in einer Umgruppierung der Machtszentren, die man
militärisch als strategische Zentralisierung und taktische Dezentralisierung
bezeichnen könnte ). Natürlich preist dies alles in einer pseudo-« marxistischen » Sprache, gespickt
mit unverständlichen Wortneuschöpfungen und Italianismussen, die ausserhalb
Italien keinen verständlichen Sinn haben [ Vergleiche für die arbeiterorientierte Version : Die Strömung der Ex-Zeitung
"Clash" und die italienische Fraktion der ebenfalls eingegangenen
Zeitung "L'Internationale" ; für die subjektivistische Außenseiter-Version : Die Strömung der kleinen Zeitung
"Molotov und Konfetti ] einen perfekten klassenübergreifenden
Standpunkt, der auf dem Vorrang des kulturellen Verhaltens basiert.
Doch der
subjektivistisch aufgefasste bewaffnete Kampf als sozialkulturelles Verhalten,
der Ausdruck eines besonderen « Raums » in einem Mosaik
weiterer Räume, als « Unterschied » als einer der « 1000 Plattformen »
ist, kann nur eine gettoisierende, selbstmörderische Praxis sein. Auch suchen
wir ganz im Gegenteil nach dem Zutagetreten und der Entwicklung eines
fortschreitenden Prozesses, der organisiert und politisch zentralisiert ist und
nicht mit zerstückelten Flächen übereinstimmt, sondern ganz im Gegenteil die
Vollständigkeit der historischen Formation durchdringt. Wir sehen im
bewaffneten Kampf ein Instrument der revolutionären Strategie, der
organisierten Klasse mit historischer Funktion. Dabei ist jeder dieser Begriffe
in seiner vollsten Bedeutung zu verstehen.
Das bedeutet, daß
es sich nicht um eine von mehreren Formen des Kampfes handelt, sondern daß er
sich als Ausdruck einer Politik versteht, die auf die gesamte Umwandlung der
Gesellschaft abzielt. Also unterscheidet es sich sehr von einem beschränkten
beanspruchenden Vorgehen und anstatt an struktureller Zerstückelung zu heften,
wird hier versucht, die zahlreichen Widersprüche ins Lot zu bringen indem klar
gemacht wird, was letzten Endes das Hauptmittel zum Lösen des sozialen
Widerspruchs ist. Und das mit einem vollständigen Verstehen der Realität, nicht
schematisch oder durch verkürzenden Dogmatismus, sondern weil die Wahrheit in
dieser Totalität der objektiven Realität steckt, einer Totalität die sich aus
der Tatsache erhält, daß es praktisch keinen Aspekt der Existenz mehr gibt, der
sich der kapitalistischen Produktionsweise entziehen könnte. Die andere Quelle
dieser Zusammenrechnung ist selbstverständlich die geschichtliche Bewegung ( und oberhalb der Geschichte gibt es noch einmal eine
weitere zusammenrechnende Kraft, doch das ist ein anderes Problem ! )
und die Eigenart dieser geschichtlichen Bewegung ist es, Fragen klassenbezogen
zu stellen, als Zusammenstoß zwischen Klassen, als zu erleidende oder
auszuübende Kraft.
Allerdings ist zu präzisieren, daß diese Konzeption nicht in Sektierertum
führen soll, was die Verschiedenartigkeit der Praxen und der Meinungen
betrifft, da wir denken, daß die organisierte Bewegung des bewaffneten Kampfes
sich nicht in der Form zeigen wird, daß die heute bestehenden Strömungen
zerfallen, sondern durch paralleles Auftreten eines wirklich neuen Prozesses ;
in gleicher Weise wie die bolschewistische Bewegung nicht das Auslöschen der
revisionistischen Sozialdemokratie und der sozial-revolutionären oder
freiheitlichen Strömungen gebraucht hatte, auch wenn sie sich auf die Kritik an
diese abstützte, sondern sich als neue Alternative durch Rückgriff auf die
wissenschaftliche Methode eines authentischen Marxismus als Instrument zur
Analyse der Totalität der russischen Realität dieser Zeit entwickelt hatte.
2.
Die
Probleme des Übergangs von legal zu illegal.
Das Verhältnis zwischen den Raum für die legale politische Arbeit und den
illegalen Strukturen kann nicht als von vorneherein bestimmt betrachtet werden,
sondern in der dialektischen Perspektive der Bewegung die passend für diese
zwei Strukturarten ist. Dies ermöglicht es drei Schemas hervorzuheben :
a) Daß
die Guerilla als Ergebnis der Entwicklung der internen Widersprüche der legalen
Bewegung und des Prozesses der Radikalisierung / Bewußtseinsbildung erscheint ;
b) Daß
die legale Bewegung die Peripherie des radikalsten und damit organisierten und
bewaffneten Kerns ist, und daß sie sich um die Guerilla herum entwickelt ;
c) Daß die
legale Bewegung und die bewaffnete Struktur sich parallel in dieser
organisierten dialektischen Wechselwirkung entwickeln, wie wir weiter unten im
Text präzisieren werden.
Die zweite
Perspektive erscheint schwer zu realisieren, da die Guerilla historisch gesehen
sekundär gegenüber der legalen Bewegung ist, man würde also eine Zersetzung von
dieser benötigen, damit die Guerilla zum zentralen Raum werden kann, um den sie
sich entwickeln würde. Außerdem ist es klar, daß die Entwicklung des
bewaffneten Kampfes ein Bewußtwerden mit sich bringen muß, die ideologische und
politische Umwandlung, die Ausdehnung der revolutionären Ideen, doch ist nicht
sicher, daß diese Ausdehnung zu einer Entwicklung der legalen Bewegung führt,
denn die Guerilla wirkt zwar auf das Kräfteverhältnis ein, jedoch durch die Zuspitzung
der Widersprüche, wodurch sie zur Erhebung des Gewaltniveaus des
Zusammenstosses beiträgt. Das impliziert eine starkere allgemeine
Militarisierung und Unterdrückung, wodurch der Raum der legalen Freiheiten
eingeengt wird und damit objektiv die Möglichkeiten zur Entfaltung der legalen
Bewegung eingeschränkt werden.
Die erste
Perspektive, daß nämlich die Guerilla das Ergebnis der
( teilweisen oder allgemeinen ) Radikalisierung
der legalen Bewegung ist, stellt den Fall dar, der uns am meisten entgegengestellt
wird. Wenn die legale Bewegung zwar direkt zum bewaffneten Kampf führen kann,
dann nur über einen Aufstandsprozeß. Damit verfällt man wieder in die Illusion
der linksradikalen Gruppen, die denken, daß das leninistische Schema von 1917
auf jede beliebige historische Lage übertragbar sei, und es darum gehe die
Massen durch legalen Militantismus darauf vorzubereiten ( was sie seit 60
Jahren tun ohne auch nur einen Schritt vorangekommen zu sein )
bis die Lage wunderbarerweise reif ist für den großen Abend. Wenn es angesichts
dieser Perspektive nur das Projekt des Aufstands geben kann, dann weil man sich
schlecht vorstellen kann, wie die Guerilla, die eine klandestine
politisch-militärische Strukturierung voraussetzt, sich auf der selben Ebene
wie die legale Bewegung entwickeln soll, insofern deren offenes Auftreten die
Guerilla allzu durchlässig für Geheimdienstaktivitäten und Angriffe des Feindes
machen würde.
Weiter gibt es
zwei Sperren, die eine ist ideologisch, die andere ist politisch.
Auf ideologischer Ebene. Der Unterschied zwischen bewaffneten Kampf und legaler
Aktion ist nicht quantitativ sondern qualitativ. Der Übergang von der einen zur
anderen Form kann somit nicht durch eine lineare und homogene Entwicklung,
sondern nur sprungweise erfolgen. Das führt dazu, daß es für jedes Problem zwei
Möglichkeiten geben kann, die eine illegal, die andere legal. Man darf nie
vergessen, daß wir in einem System des politischen Liberalismus leben, die
politische Form der bourgeoisen Diktatur ist hier die Demokratie, und wenn wir
mit etwas unzufrieden sind, so gibt es eine Auswahl legaler Mittel, um uns
auszudrücken : Demos, Flugblätter, Zeitungen, Wahlzettel usw.
Auch ist der bewaffnete Kampf etwas ganz anderes, als ein äußerstes Mittel, das
man aus Verzweiflung einsetzt. Robespierre hat mit Recht gesagt, Ludwig den XVI
zu töten, sei kein Akt der Gerechtigkeit, oder Ausdruck der Unmöglichkeit, es
anders zu machen, sondern eine « politische Entscheidung »
und genauso müssen wir hier den bewaffneten Kampf betrachten :
nicht als äußerstes Mittel, sondern als eine mit kühlen Kopf getroffene rein
politische Entscheidung, die wissenschaftlich durch ihre Funktion in einer
rationell überlegten revolutionären Strategie gewählt wurde.
Andererseits
denken wir nicht, daß man den bewaffneten Kampf nicht richtig in seiner
allgemeinen strategischen Funktion sieht, und somit die illegale Aktion als
einzige Antwort auf eng begrenzte Probleme begrenzen würde ( Antifaschismus,
Antirassismus, Antiatomkraft usw. ) wenn man begreift, außer man hat nur
eine begrenzte und bruchstückartige Sicht, daß diese Fragen nicht von ihrem
Kontext abgesondert werden können und daß man sich zur Ohnmacht verurteilt,
wenn man einen radikalen Ansatz auf besondere Bereiche beschränkt.
Es gibt eine Vielzahl von Strukturen, die sich im legalen Raum entwickeln
und mehr oder weniger radikal sind, Protest oder Forderungen, die durch die
Tatsache gekennzeichnet werden können, daß sie nicht die Machtfrage stellen,
sondern einzig und allein den Grad der Autonomie und der Einrichtung innerhalb
der geltenden Rahmen. In dem Maß, in dem es sich um vereinzelte Bereiche
handelt, die immer mit einem ganz spezifischen Problem verbunden sind, kann es
in ihrem Innern keine Umwandlung in Richtung des bewaffneten Kampfes geben ( sofern man in ihr die Funktion einer echten
revolutionären Strategie sieht, daß heißt einschließlich der Übernahme der
Staatsmacht ). Diese legalen Räume, in denen sich die
sogenannte « zivile Gesellschaft » gegen den Staat
äußert, diese sind ein bißchen mit den Gewerkschaften vergleichbar, die die
Hochburgen des Widerstands der Arbeiter sind, was eine notwendige Funktion ist,
die jetzt auch in den nicht produzierenden Bereichen ausgeweitet werden kann,
da sich die kapitalistische Produktionsweise inzwischen auf alle Lebensbereiche
erstreckt. Aber, in gleicher Weise wie früher die Gewerkschaften weder mit der
Partei identisch waren, noch die Struktur bildeten die auf die Gründung der
Partei abzielte, kann die Gesamtheit der legalen Organe auch nicht Träger der
Erfahrung, der Fähigkeit der Synthese und der organisationellen Strukturierung
sein, die für die Entwicklung eines bewaffneten Kampfs mit wirklich
strategischer Funktion erforderlich sind. Wie soll auch ein Kollektiv, das
durch Antifaschismus oder gegen Repression oder durch die Unterstützung von
Gefangenen oder irgendetwas anderes vereinigt ist, im Rahmen dieser
spezifischen Aktivität die für ein wahres revolutionäres Projekt erforderliche
historische Analyse durchführen ?
3.
Grenzen
der Legalität und Klassenstandpunkt.
Ein
revolutionäres historisches Verständnis kann sich nur aus einem
Klassenstandpunkt ergeben. Das ist sicher das Hauptproblem, radikal sämtliche
soziale Strukturen durch die Zerstörung des bourgeoisen Staats und die
Machtübernahme verändern zu wollen, auf den Kommunismus hinzugehen, was
voraussetzt, die Bewegung der Geschichte verstanden zu haben und sich in sie
einzuordnen. Diese Bewegung ist die des Klassenkampfs, es geht daher darum,
sich als Klasse einzuordnen, das heißt, sich die praktischen und theoretischen
Mittel dieser Dialektik zu verschaffen die aus der Verwirklichung des
Proletariats als Klasse die Voraussetzung für seine Abschaffung macht,
Verwirklichung impliziert : Klassenidentität, Klassenbewußtsein,
Klassenstandpunkt. Da die Kräfte die die Geschichte machen die Klassen sind,
kann das revolutionäre Projekt nur mit dem Prozeß des Erwerbs eines
Klassenbewußtseins durch das Proletariat zusammenfallen. Und man kann sich
schlecht vorstellen, wie dieser Prozeß aus dem Spiel zerstückelter legaler,
beschränkter Strukturen entstehen soll, die im allgemeinen keinen
Klassenstandpunkt annehmen, sondern im Gegenteil einen klassenübergreifenden
Standpunkt aufgrund von mehr oder weniger opportunistischen
Begriffsverwirrungen befürworten, mit denen der Antagonismus der objektiven
Klasseninteressen durch die Widersprüche zwischen Kategorien ersetzt werden
sollen, die durch sozial-kulturelle Verhaltensweisen bestimmt sind ( das
« Individuum », gegen den Staat, der « Jugendliche »,
eine individuelle Sensibilität für dieses oder jenes besondere Problem usw. ).
Die komischsten Beispiele finden sich in dem, was die « autonome Bewegung »
war und die davon noch verbliebenen Einflüße, wenn wir etwa sehen, wie das
Konzept des « jungen Proletariers » erfunden wird ( oder
noch aktueller und noch komischer : der « Stadt-Proletarier »
was überhaupt nichts aussagt ), ein Konzept, das für die, die damit
umgehen den jungen Arbeiter bedeutet ( als wenn er andere Interessen hätte als
der ältere Arbeiter ! ), den Vorstädter, den Gymnasiasten in der
Phase der Umbruchs zum Erwachsenwerden, den Studenten, der in den Ferien
arbeitet und sich kulturell etwas anders verhält als wenn er einige Jahre
später zum leitenden Angestellten oder Unternehmer geworden ist.
Dieser Raum der
legalen politischen Tätigkeit ist somit in klassenübergreifende
Spezialisierungen zerstückelt, während der bewaffnete Kampf der Ausdruck eines
organisierten revolutionären Projekts sein muß, dessen Existenz nur auf
Klassenstandpunkte, auf der Herausbildung des Klassenbewußtseins beruhen kann.
Auf politischer
Ebene haben die Entwicklungsgrenzen der legalen Strukturen externe und interne
Gründe.
Die externen
Gründe beruhen insbesonder auf der Entwicklung der Mechanismen der sozialen
Macht, entsprechend den Erfordernissen der Entwicklung des Imperialismus. Wir
sehen darin die außerordentliche Fähigkeiten der bourgeoisen Macht, Dinge
aufzunehmen und zu regenerieren ( es ist nicht umsonst, wenn Soziologen,
Psychologen usw. vom Staat bezahlt werden, um « alternative »
Bewegungen und « neue soziale Bewegungen » zu studieren und
anzuregen ).Es gibt die Tendenz einer Ausweitung der
lohnabhängigen Arbeit und der Proletarisierung in Richtung einer wachsenden
sozialen Bipolalisierung. Die politische Macht muß sich dieser Realität
anpassen, deren Eigenart darin besteht, daß sie ( um den Bruch zu
vermeiden ) eine verstärkte Führung, eine vollständigere und
wirksamere Beherrschung erfordert, was zu den Versuch führt, den Klassenkampf
zu zersplittern, indem die innere Geschlossenheit der Übereinstimmungen der
Klasse gebrochen wird. Die bourgeoise Macht versucht das Klassenkonzept im
kollektiven Bewußtsein durch den Begriff der Zugehörigkeit zu
sozial-kulturellen Verhaltensweisen zu ersetzen ( « Jugendliche », Ökos, Homosexuelle, Punks, « linkes
Volk » und wie sie alle heißen ). Ein perfektes
Beispiel ist die Erfindung des Begriffs der « Beurs » [ Jugendliche(n) aus Nordafrika ] durch die Manager des Sozialfaschismus
und des Zionismus, um damit einerseits zu versuchen, die arabisch-islamische
Identität zu zerbrechen und andererseits auch um die soziale Klassenidentität
des arabischen Gastarbeiterproletariats zu Fall zu bringen. Wenn es nicht durch
das kulturelle Verhalten oder die ideologische Sensibilität geschieht, dann
lasen sich diese Kategorien mittels einer untergeordneten wirtschaftlichen
Eigenschaft fabrizieren, die jedoch so herausgestellt wird, daß sie gegenüber
den Produktionsverhältnissen als überragend betrachtet wird.
Indem die
bourgeoisen Diktatur ( ihre Massenmedien und intellektuellen
Machtsstrukturen ) die Überlegenheit der Soziologie über die
Volkswirtschaft organisiert, wird dem Freiraum der Legalität, der durch den Nebelstorm der Vereinigungskollektive und der sogenannten Alternativbewegungen durchzogen ist, die
Aufgabe übertragen die Klasseninteressen heterogen zu machen, die Proteste
aufzusaugen indem sie mit neuen Freiheitsräumen versorgt werden in denen sie
sich austoben können, die subversiven Tendenzen lahmzulegen
indem sie im Sinn der herrschenden Ordnung lahmgelegt
werden.
Während der
Imperialismus die große monopolistische Konzentration und die weltweite
Erfassung der kapitalistischen Produktionsweise organisiert, kann er es sich
leisten, soziologisch und ideologisch Räume für Formen der Selbstverwaltung
freizugeben ( die allerdings von jeder Entscheidung in
Grundsatzfragen ausgeschlossen bleiben ). Räume für die Meinungsäußerung und das
Abreagieren, die bis ins Unendliche besetzt werden können, denn wenn eine
Gruppe oder eine Strömung nicht mehr gefällt, braucht man nebenan nur eine neue
zu gründen, was zu noch mehr Verschiedenartigkeit und Ohnmacht führt. Man muß
also begreifen, daß der durch die Legalität begrenzte Raum der politischen
Existenz genau der ist, durch den die imperialistische Macht selbst wirkt, sich
entwickelt und entfaltet. Je besser der Raum der Legalität ausgefüllt ist, um so mehr wird seine Funktion verwirklicht und um so
weniger kann es der mögliche Ort für eine wahre Subversion sein.
Es gibt auch noch
interne Gründe, weshalb ein evolutionistische Übergang
der legalen Bewegung zum bewaffneten Kampf unmöglich ist. Dieser sogenannter Raum der Legalität funktioniert indem er Kräfte
schafft und verteilt, Mächte die also nur durch die Tätigkeit der Legalität
weiterbestehen können. So wird er zum bevorzugten Raum des Klein-Bürgertums,
weil es dort die spezifische, ihm zugewiesene politische Funktion ausüben kann,
das heißt dort wo die Verwaltung der Ideologie und der Politik der bourgeoisen
Diktatur stattfindet. Das Kleinbürgertum ist der politische Transmissionsriemen
zwischen der kapitalistischen Bourgeoisie und den proletarischen Massen, es ist
voll und ganz Treuhänder und Wächter der Interessen des Kapitals.
Und so verwaltet
dann das intellektuelle Kleinbürgertum die legalen Bewegungen, alle « Alternativen »,
Antirepressiven Bewegungen, die linksradikalen Gruppen, die
Solidaritätsbewegungen, kulturelle Kreativbewegungen, philosophische
Bewegungen, alle Organe des Ausdrucks.
Wie soll man sich
vorstellen, daß die Inhaber einer solchen politischen und ideologischen Macht
darauf lächelnd verzichten könnten ? Denn
der Übergang zum bewaffneten Kampf setzt die Aufgabe dieser Macht voraus, nicht
weil sie die Hierarchie oder weil sie die Beteiligung von Kleinbürgern
ausschließt, sondern einzig und allein, weil in diesem Raum der Legalität die
Macht dieser Kategorie über die ideologischen und politischen Bewegungen
wesentlich zu ihrer offiziellen Funktion gehört, so wie sie ihr durch die
Produktionsverhältnisse zugewiesen und im allgemeinen vom Staat belohnt wird,
ein Verhältnis, daß natürlich unmöglich wird, wenn man einen bewaffneten Kampf
führt !
Jeder hat
unzählige Beispiele im Kopf, die aus den genannten Gründen deutlich die
Unmöglichkeit zeigen, sich schrittweise von der Macht des Kleinbürgertums in
legalen Strukturen zu lösen. Sobald diese Kategorie sieht, daß die Macht ihr
entgleitet, reagiert sie mit Gegnerschaft und sabotiert, verrät, vernichtet die
Strukturen, deren tatsächliche Leitung sie hat. Diese Macht entgleitet ihr in
der Illegalität, und wenn auch nur aufgrund des konspirativen Charakters des
Vorgehens das notwendig ist, und das zum Bruch zwischen der beruflichen und
halbberuflichen öffentlichen Tätigkeit einerseits und der politischen Aktivität
andererseits führt ( während die existenzielle Eigentümlichkeit des
intellektuellen Kleinbürgertums gerade auf der « Nicht-Trennung »
zwischen bezahlter und kostenloser sozialer Aktivität beruht ).
Übrigens ist das auch bestimmt der Grund dafür, daß die psychologische
Charakteristik des intellektuellen Kleinbürgertums in Fragen des bewaffneten
Kampfs zugespitzte Paranoia ist, man hält sich für das Ziel eines Komplotts,
übernimmt eine Bullensichtweise der Geschichte, indem man überall
Infiltrationen oder Manipulationen sieht, glaubt sich vom Faschismus, vom Krieg
oder was sonst noch bedroht, gefällt sich in einer beschreibenden Analyse der
Repressionspraxis, um sich nur um so mehr davon zu überzeugen, daß man besser
zuhause bleibt. Das ist also ein weiterer Grund, weshalb der Übergang von der
legalen Bewegung zum bewaffneten Kampf nicht in einer linearen
Vorwärtsentwicklung erfolgen kann, weil es zu viele politische, ideologische,
aber auch psychologische und polizeiliche Sperren gibt, die sich einer
schrittweisen Radikalisierung innerhalb eines legalen Rahmens entgegenstellen,
der zu einem wirklich revolutionären Prozeß und damit zum bewaffneten Kampf
führen könnte.
Diese Zeilen verfolgen ein deutliches Ziel, nämlich über die Funktion des
bewaffneten Kampfes zu sprechen, so wie er hier und heute notwendig ist,
deshalb werden wir auch nicht über die legale politische Arbeit sprechen
sondern nur in ihrem Bezug auf den bewaffneten Kampf darauf hinweisen. Die
legale politische Aktion gehört in andere Diskussionen. Wir wollen hier nur,
ehe wir sie hier genauer wiederfinden werden, die großen Grundzüge der legalen
Aktion in ihrem Verhältnis zur bewaffneten Aktion und in ihrer allgemeinen
Notwendigkeit darstellen :
— Das ist der Rahmen, in dem der kommunistische Kämpfer die militante
politische Erfahrung erwerben muß, die notwendig für ihre Wirksamkeit in der Guerilla ist.
— Die legale Aktion fördert die revolutionäre Bewußtseinsbildung der
Volksmassen, die damit empfänglicher werden für die Ziele des revolutionären
bewaffneten Kampfes und natürlich auch für die Notwendigkeiten seiner
quantitativen Entwicklung ( ohne Verbindung mit einer legalen
politischen Aktion, die weitergehend öffentlich ist, wäre eine Guerilla von den
Massen isoliert und damit zum vegetieren verurteilt, sie könnte sich nicht mehr
entwickeln und ihr Schicksal wäre einzig und allein von den Risiken der
Repression abhängig ).
— Die legale politische Aktion bildet den Raum, durch der die
kämpfenden kommunistischen Kräfte ihre politische Linie aufbauen und richtige
strategische Richtungen einschlagen können, sowie ein korrekte Praxis
hinsichtlich der objektiven und subjektiven Interessen der breiten
proletarischen Massen verfolgen können. Denn die legale politische Aktion ist
der Hauptrahmen für die Anwendung der Massenlinie :
von den Massen ausgehen um zu ihnen zurückzukehren. Durch die systematische
politische Untersuchung müssen die wirklichen Bedürfnisse und Kapazitäten der
Volksmassen ergriffen werden und dann muß daraus eine Aktionslinie entwickelt
werden, welche die Synthese der fortgeschrittensten Ideen der Massen darstellt
( denn richtige Ideen von den Massen, kommen einzig
und allein von den Massen und nicht von den Analysen dessen, was die Verwalter
des Feindes erzählen. Man erfährt mehr an der Theke einer volkstümlichen Kneipe
als in den neuesten Berichten der Trilateralen, der NATO oder anderer,
zumindest wenn man die Revolution machen will ).
Diese Synthese muß mit Hilfe verschiedener uns zur Verfügung stehender
Instrumente ausgeführt werden, insbesonders des Marxismus-Leninismus, aber auch
der Intuition für das was richtig ist und für den tiefen Sinn unseres langen
Marsches. Diese Synthese muß dann an die Massen zurückgegeben werden durch
Information, Agitation, militante Propaganda und revolutionäre Aktionen. Die
Wirkung der politischen Intervention, bewaffnet oder nicht, muß dann innerhalb
der Massen abgeschätzt werden und zu einer neuen Synthese führen, usw. - in
einem dialektischen Vorrücken.
— Die legale politische Aktion ist der Rahmen in dem der Kämpfer seine
Motivierung und seine ideologische Entschlossenheit erwirbt, was nur möglich
ist, wenn er die wirklichen Lebensbedingungen der Proletarier kennt, Kenntnis,
die voraussetzt um objektiv zu sein, daß man auch die Kämpfe der Massen teilt.
— Der für die kommunistischen Kämpfer vorzugsweise in Frage kommenden
Rahmen der politischen Aktion ist nicht der der « alternativen »
Strukturen oder des Protests gegen diese oder jene Institution, insofern daß
diese Strukturen häufig klassenübergreifend sind und besonders kleinbürgerliche
Kategorien oder Randgruppen betreffen, die zwar unruhig sind, jedoch für die
Revolution von keinerlei Interesse sind. Der Rahmen der legalen politischen
Aktion muß somit einzig und allein durch die Klassenanalyse bestimmt werden,
durch eine objektive Analyse der sozialen Zusammensetzung des Kreises in dem
man tätig wird, an dem man sich wendet. Folglich muß dieser Rahmen proletarisch
sein, wir müssen uns an die Arbeiterklasse und an die übrigen authentischen
proletarischen Schichten wenden, was objektiv und nicht subjektiv betrachtet
werden muß. Das Proletariat ist festgesetzt durch seinen objektiven Platz in
den Produktionsverhältnissen und nicht durch subjektive Kriterien wie die « Revolte »,
Kriminalität oder andere Verhaltensweisen von Minderheiten, zumal diese Art von
subjektiven Kriterien allgemeine Kategorien des Kleinbürgertums oder des
Lumpenproletariats bezeichnen, das heißt Kategorien, die sich vielleicht zum
Teil der Revolution anschließen werden, die jedoch keinesfalls darin eine
andere als eine völlig untergeordnete Rolle spielen können.
III.
Aktualität
der Staatsfrage
1.
Klassenkampf
oder Kampf gegen den Staat ?
Eine sehr
wichtige Frage, auf die wir häufig bei unseren Widersprechern stoßen, sowohl
denen, die sich gegen dem bewaffneten Kampf widersetzen, als auch denen, die
wie Action Directe oder gewisse anarchistische Gruppen zwar den bewaffneten
Kampf praktizieren, jedoch auf nicht-marxistische Grundlagen, ist das Problem
des Staates, das Verständnis das man davon hat und wie es sich in unseren Kampf
einfügt.
Objektiv ist der
Staat nichts anderes als das Instrument der Diktatur einer Klasse, also heute
das Instrument der Bourgeoisie. Als Kommunisten wollen wir natürlich die
Abschaffung jedes Staates erreichen, da wir für eine klassenlose Gesellschaft
kämpfen und da der Staat sich nur durch die Existenz der Klassen ausdrückt.
Jedoch verwechseln wir nicht die Ursachen und die Wirkungen, ein
Gesellschaftssystem und ein einfaches Rädchen darin, eine herrschende Klasse
und ihr politisches, verwaltungs und militärisches Herrschaftsorgan. Der
Hauptfeind ist sicherlich nicht der Staat und natürlich noch weniger die
wenigen transnationalen bürokratischen Strukturen, mit deren Hilfe die
imperialistischen Staaten vergeblich versuchen, ein wenig leitende Ordnung in
die Anarchie zu bringen, die ihr System charakterisiert ( doch das verstehen
unsere neuen Sozialrevolutionäre, Luxemburgisten und Neo-Bundisten, bewaffnete
Version nicht, da könnte man sich kaputtlachen ... ).
Andererseits
wollen wir auch nicht die Vorstellung vom Staat als großen bösen Wolf ersetzen
durch die schrecklicher egoistischer und habgieriger Bürger, denn es geht in
erster Linie weder um Einzelpersonen noch ihre bürokratische Apparate, sondern
im wesentlichen um eine Produktionsweise, die kapitalistische Produktionsweise,
die dem gesamten Herrschaftssystem und damit auch dem Staat usw. zugrunde
liegt. Den Staat an sich oder die Bourgeoisie an sich als « Hauptfeind »
zu betrachten, läuft darauf hinaus, daß man nur Symptome sieht, denn man wird
weder die Bourgeoisie noch den Staat zerstören, wenn man nicht die derzeitige
Produktionsweise vernichtet.
Allerdings trifft
es zu, daß nach einer derzeit recht verbreiteten Tendenz der Staat als eine Art
Menschenfresser angesehen wird, der im allgemeinen für
alle Übel verantwortlich ist. Wenn man den Staat nicht als Produkt einer
bestimmten Produktionsweise betrachtet, dann müßte er das Ergebnis einer
imaginären « menschlichen Eigentümlichkeit » sein, die sich in
Form von Machtgelüsten bei bestimmten Individuen äußert. Diese These offenbart
sich entweder durch utopische Theorien oder durch den Reformismus. Ein
Reformismus, der sich im wesentlichen in den 3
folgenden Tendenzen äußert. Die so genannte Rechtsextreme, die Neo-Liberalen
und die « neuen Philosophen » häufig ehemalige
Linksradikale, die sich zum Antikommunismus und einem fanatischen Zionismus im
Dienst der Verteidigung der Demokratie bekehrt haben, deren These es ist, einen
Staat in Form von möglichst wenig Staat vorzuschlagen, wie Bernard-Henri Lévy
sagt. Die zweite große Tendenz ist die des traditionellen « Zentrums »
das heißt der Sozialfaschismus, wie er in Frankreich herrscht ( die
Sozialdemokratie charakterisierte bereits die vorangegangenen Regimes,
insbesondere das von Giscard, das vielleicht selbst noch mehr
sozialdemokratisch war als die Mitterrand-Bande, und die Sozialdemokratie wird
auch noch das Hauptcharakter für das französische politische Regime nach 1986
und 1988 sein ). Dieser Strömung können wir alle die zurechnen,
die Parasiten der Bourgeoisie-Macht sind, diejenigen, welche « links
von der Linken » stehen, die linksradikalen Grüppchen, deren
Neo-Revisionismus sich in dem Gekrieche kümmerlicher lästiger Bettler um kleine
Pöstchen innerhalb der Sozialdemokratie äußert ; diese haben zum
Wahlsieg der Obersau Mitterrand im Namen eines « Kleineren Übels »
beigetragen und als ewige Prostituierte werden wir sie auch 86 und 88 sehen wie
sie für die Linke stimmen, mit dem Vorwand, daß man der so genannten Rechten
und dem sogenannten « Faschismus » den Weg versperren müsse. Schließlich
gibt es eine dritte Strömung, die sich als extreme Linke darstellt, die wir
jedoch als Radikalreformismus bezeichnen. Es handelt sich um die
Selbstverwalter, « Alternative » Strömungen, Grüppchen die bewußt oder unbewußt
auf die Theorien der Autonome hinweisen und deren Ziel es ist, zerstückelte und
klassenübergreifende Freiräume zu errichten, definiert durch kulturelle
Verhaltensweisen, « Wünsche » die sich vom Klassenkampf und dem Gang
der Geschichte absetzen, also die Suche nach Einrichtungen und nach der
Mentalität von Wohlfahrtsempfängern, die sich zwar gegen den Staat auflehnen,
jedoch pausenlos einen vom Staat anerkannten Status, mehr Dienstleistungen,
indirekte Löhne usw. fordern.
Alle diese Tendenzen, einschließlich derer, die « Antiimperialismus »
ohne konkrete Klassenlinie betreiben und somit nicht die Machtübernahme im Auge
haben, haben letzten Endes das gemeinsam, daß sie den Staat zum zentralen
Objekt machen, ob sie ihn nun verkleinern, verstärken oder verwalten wollen,
indem sie ihn zu einem besseren Verteiler von Dienstleistungen oder unter
Isolierung des Staates Autonomieräume entwickeln wollen. Das Prinzip ist
dasselbe : Die Institutionen werden als das Vorrangige
betrachtet ( die NATO oder die EDF oder die Gefängnisverwaltung
oder die Schule usw ... ), die Hauptfrage der Produktionsweise wird nicht
gestellt, die Art und Weise wie sich die Widersprüche entwickeln, welche die
Richtung der Geschichte darstellen, wird nicht berücksichtigt, der Klassenkampf
wird verkannt und durch Bestrebungen sozial-kultureller Kategorien,
verhaltensbedingte, subjektivistische Einstellungen, angebliche Gramsci-artige
Gegensätze zwischen « legalem Land » und « realem Land »,
Staat gegen « Gesellschaft », « herrschende Klasse » gegen « Volk »
ersetzt. Oder sonstige idealistische Konzeptionen, welche sogar auf bestimmte
Guerillagruppen in Westeuropa einen tiefgreifenden Einfluß ausüben.
2.
Die
Entwicklung der Staatsformen muß berücksichtigt werden, wenn wir darum kämpfen
ums uns dessen zu bemächtigen.
Wir kritisieren
also ganz radikal die Thesen, wonach der Staat als solcher der Hauptfeind sei.
Allerdings muß man noch etwas weitergehen, denn man darf nicht in das
umgekehrte Übermaß verfallen. In dem Maße, wie man nämlich die derzeitige
Produktionsweise abschaffen und die Bourgeoisie stürzen will, sieht man sich
notgedrungen mit den Instrumenten der Kontrolle, Verwaltung und Repression und
so mit dem Staat konfrontiert. Die Revolution impliziert das Zerbrechen aller
Instrumente der alten Gesellschaft insbesonders die Zerstörung ihres Staates.
Für das Proletariat bedeutet Machtübernahme auch Übernahme der bis jetzt vom
bourgeoisen Staat verwalteten Mächte. Das ist vielleicht eine
Offensichtlichkeit, doch muß man sie in Erinnerung rufen, da man den Staat auch
nicht als ein sozusagen neutrales Instrument betrachten darf, das einfach von
einer hand in die andere übergeht oder automatisch im Verlauf des
revolutionären Prozesses zu-sammenstürzen würde ( er wird im
Gegenteil stärker, je weiter der revolutionäre Prozeß voranschreitet ).
Es geht so weit, daß der reine Werkzeugcharakter des Staates es rechtfertigen
würde, daß er von den kommunistischen Kräften in der vorrevolutionären Phase
genutzt würde, man müßte also das Wahlsystem, den Parlamentarismus und die
Möglichkeit einer pazifistischen Machtübernahme anerkennen. Wir haben gar nicht
unbedingt etwas dagegen, es wäre ideal, wenn Wahlen den Bürgerkrieg ersetzen
könnten. Doch hier und heute ist das nicht der Fall, die proletarische Revolution
erfordert die totale und gewaltsame Zerstörung des bourgeoisen Staatsapparates.
Man muß auch sehen, daß die Entscheidung für oder gegen den
Parlamentarismus nicht zu den Grundsatzfragen gehört, sondern zu den von einer
objektiven Analyse der derzeitigen Realität bestimmten Standpunkten. Zum
Beispiel, die Lage im Rußland vor 1917 war anders und ermöglichte Formen des
Parlamentarismus, denn damals handelte es sich dort um einen doppelten Prozeß
der Revolution, das heißt um einen demokratische Revolution ( die
folglich auch Demokratie, Parlamentarismus, Legalismus usw. umfaßte )
und die einer proletarischen Revolution als Sprungbett diente, was natürlich
hier und jetzt nicht der Fall ist, wo die demokratische bourgeoise Revolution
bereits seit geraumer Zeit stattgefunden hat. Diese heutige Realität zeigt uns
außerdem, daß zwar das sozial-ökonomische System immer noch genauso
funktioniert wie in der Zeit wo Marx seine Funktionsweise erläuterte, aber daß
es andererseits seit dieser Zeit tiefgreifende Veränderungen erfahren hat, die
seiner natürlichen Entwicklung und seinem Reifwerden entsprechen.
Die Beschreibung, die Marx oder Lenin von der Funktion des Staates geben
konnten, trifft immer noch zu und bestätigt sich im Verlauf der Zeit noch immer
mehr. Zutreffend ist jedoch dabei die Beschreibung der Funktionsweise und nicht
die Beschreibung einer historisch gegebenen Form, die sich unveränderlich
verewigen würde. Denn die Form des bourgeoisen Staates ist im
ständigem Wandel begriffen, entsprechend der Entwicklung der
kapitalistischen Produktionsweise. Auch wenn wir uns denken können, daß die
revolutionäre Benutzung des bourgeoisen Staates heute auszuschließen ist und
daß auch die Auffassung vom Staat als einfaches Herrschaftsinstrument und
einfacher politischer Ausdruck der Macht der herrschenden Klasse etwas
nuanciert werden muß, so bleibt diese Analyse restlos zutreffend und muß nur
angesichts der objektiven Umwandlungen präzisiert werden, die im Lauf der
kapitalistischen Entwicklung, die sich heute in ihrer modernen
imperialistischen Phase befindet, im Wesen des Staates eingetreten sind.
3.
Der
imperialistische Staat, Funktion des Kapitals.
In der Tat läßt
sich heute weniger denn je ein antikapitalistischer Kampf, der im allgemeinen
zum Klassenkampf gehören würde, vom Kampf gegen den Staat trennen, der ein
politischer oder politisch-militärischer Kampf wäre, wie wenn der Staat nur ein
einfaches Instrument wie die Polizei oder die Armee wäre, das der
Machtübernahme des Proletariats im Wege steht. Wenn man nämlich einerseits
davon ausgeht, daß der Staat das Produkt der Organisation der
Klassenverhältnisse in einem bestimmten historischen Augenblick ihrer
Entwicklung ist und daß die zum Entstehen der gesellschaftlichen Verhältnisse ( und
somit auch des Staats ) führende Produktionsweise sich entwickelt und
sich damit umgestaltet, dann muß man auch andererseits zugeben, daß der Staat
bezüglich dieser Umgestaltung fortschreitet, sich entwickelt, reift und sich
verändert.
In welchem Sinne
erfolgt diese Veränderung ? Es ist die
Übersetzung der Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise auf
Staatsebene. In allen Richtungen und Tiefen des sozialen Kontextes. Jeder kann
feststellen, in welchem Maß auch die kleinsten Äußerungen des
gesellschaftlichen ja sogar des privaten Lebens zunehmend von der derzeitigen
Produktionsweise bestimmt werden. Eine Produktionsweise, deren Existenz
untrennbar verbunden ist mit den Mechanismen der Akkumulation / Reproduktion des Kapitals. Das sind Mechanismen,
deren inneren Widersprüche sich im tendenziellen Rückgang der Profitrate
offenbaren, wobei dieser tendenzielle Rückgang dazu führt, daß bezogen auf den
absoluten Mehrwert ein zunehmender Anteil an relativen Mehrwert ausgepreßt
wird. Diese zunehmende Bedeutung der Erzeugung von relativem Mehrwert liegt
wirtschaftlich gesehen den meisten Erscheinungen zugrunde, die für die
derzeitige Phase der westlichen Gesellschaft als typisch beschrieben können
werden, das heißt alle Formen, die von einigen mit dem Begriff der « Konsumgesellschaft »
bezeichnet wurden ( dieser Begriff ist natürlich irreführend, hat
jedoch einen vertrauten Klang, den jeder versteht ). Profitstreben
bis in die allerkleinsten Handlungen des Alltags, eine völlige Dominanz des
Tauschwerts gegenüber dem Gebrauchwert. Produktion nicht nur von mehr oder
weniger fetischierten Gebrauchsgütern, sondern auch Erzeugung von Bedarf und
sogar in einem gewissen Sinn von Bedarf an Bedarf. Rentabilisierung durch
Verschwendung, Rentabilisierung der gesamten menschlichen Aktivitäten und damit
auch aller Vergnügungen, Gefühle und alles dessen was zur Psychologie und zum
kulturellen Bereich gehört. Galoppierende Ausweitung der Entfremdung und der
Versachlichung.
Und im Rahmen dieser Entwicklung der Entfremdung und der verstärkten
Auspressung von relativem Mehrwert wird dem Staat eine ausführlichere Rolle
zugeteilt, als die die ein einfaches Instrument würde.
Eine ausführlichere, zugleich aber auch unbestimmtere Rolle im Sinn einer
allgemeinen Fusion und Gliederung aller Funktions- und Führungsapparate des
Kapitalismus, das heißt des sozialen, wirtschaftlichen, ideologischen,
politischen und militärischen Komplexes, der dazu führt, daß das Kapital nicht
nur eine einfache wirtschaftliche Kategorie, sondern nach der Formulierung von
Marx eine soziale Beziehung ist. Die gegenseitige Durchdringung von Kapital und
Staat entspricht dann dem Sinn der historischen kapitalistischen Entwicklung,
dies entspricht etwa dem was Mario Tronti [ diesen Autor zu
zitieren bedeutet nicht, die Gesamtheit seiner Thesen zu übernehmen ! Und die Metapher von der Fabrik darf
nicht zurückgeführt werden auf verkürzende Vereinfachungen der Autonomen über
die "soziale Fabrik", den "Stadtproletarier" und andere
"Neo"‑Späßchen ! ] sagt :
« Je
mehr die kapitalistische Entwicklung voranschreitet, das heißt je mehr die
Erzeugung von relativen Mehrwert sich durchsetzt und überall ausbreitet, desto
perfekter wird unausweichlich der Kreislauf Produktion-Verteilung-Tausch-Konsum ;
das heißt daß die Beziehung zwischen kapitalistischer Produktion und
bourgeoiser Gesellschaft, zwischen Fabrik und Gesellschaft, zwischen
Gesellschaft und Staat immer organischer wird. Auf der höchsten Ebene der
kapitalistischen Entwicklung wird das soziale Verhältnis ein Moment des
Produktionsverhältnisses und die gesamte Gesellschaft wird zu einem Ausdruck
der Produktion, das heißt das die gesamte Gesellschaft in Funktion der Fabrik
lebt und die Fabrik ihre ausschließliche Herrschaft über die gesamte
Gesellschaft ausdehnt. Auf dieser Basis versucht die politische Staatsmaschine
sich zunehmend mit dem Bild des kollektiven Kapitalisten zu identifizieren ;
sie wird immer mehr ein Besitz der kapitalistischen Produktionsweise und somit
eine Funktion des Kapitalismus. »
Konkret geht das
noch weiter als die Keynesische Funktion des bourgeoisen Staates über die Arten
der Planung und der Intervention des Staates in die Wirtschaft ;
es hängt zusammen mit dem Anwachsen des Anteils des Finanzkapitals und somit
auch mit den staatlichen transnationalen Währungsmechanismen, der zunehmenden
Rolle des Steuerwesens, mit dem Staat als Arbeitgeber im öffentlichen Bereich
der immer bedeutsamer wird, der Ausübung kapitalistischer Monopole direkt durch
den Staat, dessen Rolle in der Ausbildung großer imperialistischer Monopole.
Natürlich sind auch die Verhältnisse des Staates zu den Medien im gleichen Sinn
zu betrachten, die zentrale Rolle des Staates bei der Massenmanipulation nicht
nur zum Schutz der kapitalistischen Ordnung, des sozialen Friedens und der
Reproduktion suprastruktureller Institutionen, sondern auch als leitender
Vektor der Bildung oder Ausweitung sozial-ökonomischer und ideologischer Räume,
in denen ( insbesonders durch die Bildung von künstlichen
Bedürfnissen ) die Auspressung des Teils des indirekten
Mehrwerts erfolgt, das heißt desjenigen, der nicht aus der entlohnten
Produktionstätigkeit stammt.
Ein weiteres
wichtiges Phänomen dieser Entwicklung der Funktion des Staates ist natürlich
seine Rolle bei der Regelung des Arbeitsmarkts aber auch und vor allem bei der
Einkommensverteilung, man muß nämlich wissen, daß ein Viertel der Einkünfte der
lohnabhängigen Erwerbstätigen aus dem « indirekten Lohn » besteht, das
heißt aus der Gesamtheit der staatlichen Sozialleistungen.
Folglich spielt der moderne bourgeoise Staat zunehmend die Rolle eines
Kapitalisten, er strebt danach sich immer mehr mit dem Kapital zu vermischen,
eine Funktion des Kapitals zu sein. Man darf ihn also nicht mehr nur als
einfaches bourgeoises Herrschaftsmittel ansehen, dessen Instrumentcharakter ihm
eine Art defensiver Neutralität verleihen würde, aufgrund derer man dieses
Staatsinstrument dann gegen die Bourgeoisie einsetzen könnte, genauso wie eine
Kanone neutral ist und genauso gut gegen die Bourgeoisie wie gegen das
Proletariat eingesetzt werden kann. Der moderne Staat ist viel mehr als der « Verwaltungsrat »,
den sich die Bourgeoisie zugelegt hatte, um ihre politischen Interessen zu
verwalten. Er ist nicht mehr nur « kapitalistisch » durch die
Tatsache, daß er dem Kapitalismus dient, sondern weil er selbst als Kapitalist
funktioniert. Und als solchen müssen wir ihn angreifen, nicht als einfaches
Hindernis, das sich der revolutionären Bewegung entgegenstellt und weil er
repressiv ist, sondern weil er ein vollwertiger Partner des Klassenkampfs ist.
Man muß ihn also genauso angreifen, wie man in der Fabrik die Arbeitgeberschaft
angreift, ohne ihn aber zwanghaft zum symbolischen Ziel zu machen, was in
gewissen Sinne den Kapitalismus personalisieren würde, während doch klar ist,
daß wir das gesamte System und damit an der Basis die kapitalistische
Produktionsweise selbst historisch zerstören müssen. Und der Prozeß dieser
Vernichtung läuft über den sofortigen Angriff gegen die Gesamtheit der
Ausdrücke und der Funktionen der bourgeoisen Herrschaft.
IV.
Der
revolutionäre bewaffnete Kampf und der Marxismus
1.
Der
Marxismus-Leninismus, lebendige Methode, verwirft keine Form des Kampfes.
Welche Stellung
hat der revolutionäre bewaffnete Kampf ?
Die
erwägenswertesten kritischen Anmerkungen zu unseren Auffassungen von der
revolutionären Strategie und Taktik stützen sich - oder behaupten sich zu
stützen - auf die Referenz älterer strategischer Lösungen, welche die
marxistische Methode in der Geschichte der Arbeiterbewegung hervorgerufen hat.
Wir stellen uns also in diesen Zusammenhang. Allerdings erheben wir weder den
Anspruch auf alles eine Antwort zu haben, noch die Debatte abzuschließen ;
es handelt sich hier nur darum, in aller Kürze einige Grundzüge vorzustellen,
die man natürlich sehr viel ausführlicher darstellen und vertiefen müßte.
Zunächst einmal darf man nie vergessen, daß die großen Theoretiker des
Marxismus Mechanismen und Funktionsweisen beschrieben haben, die nach wie vor
aktuell sind, andererseits haben sie den historischen und dialektischen
Materialismus als Möglichkeit zum aktiven Verständnis der objektiven Realität
und der historischen Prozesse erarbeitet, welche sie erklären. Ferner haben sie
politische Lösungen formuliert, die jedoch sicherlich keine allumfassende
Bedeutung haben. Anders als beim historischen und dialektischen Materialismus
entsprechen diese Lösungen nur der Anwendung der marxistischen Analysemethoden
auf bestimmte historische Zustände und können also nicht unverändert von einer
Epoche auf die andere oder von einer nationalen Realität auf eine andere übertragen
werden. Es liegt auf der Hand, daß Lösungen, die zur Zeit der industriellen « Revolution »
gültig waren, nicht dieselben sind, wie die, welche in der Phase des
Monopolkapitalismus anwendbar sind und noch weniger diejenigen, die in einer
Zeit angewendet werden, wo der Imperialismus die hegemoniale Form der
kapitalistischen Produktionsweise ist. Der Marxismus-Leninismus widersetzt sich
entschieden jedem Dogmatismus, jedem Automatismus der taktischen und
strategischen Lösungen, er weist auf lebendige Methoden hin, um in jeder Epoche
und in jeder Lage die entsprechenden Methoden zu finden, ohne mechanisch eine
Theorie anzuwenden, die sonst in ein Dogma verwandelt würde. Es ist übrigens
das was Lenin selbst erklärt :
« Das
ist der Grund, warum der Marxismus keine Form des Kampfes absolut ablehnt. In
keinem Fall will er sich auf die in einem bestimmten Augenblick vorhandenen und
möglichen Kampfformen beschränken ; er gesteht zu, daß eine Veränderung der
sozialen Konjunktur unausweichlich das Auftreten neuer Formen des Kampfes nach
sich ziehen würde, die den Militanten der jeweiligen Zeitspanne noch unbekannt
sind (...) An zweiter Stelle fordert der Marxismus absolut, daß die Frage der
Formen des Kampfes unter ihrem historischen Aspekt erwogen wird. Diese Frage
außerhalb konkreter historischer Umstände zu stellen, bedeutet das ABC des
dialektischen Materialismus zu ignorieren. An verschiedenen Momenten der
wirtschaftlichen Entwicklung treten, in Zusammenhang mit den verschiedenen
Bedingungen der politischen Lage, der nationalen Kulturen, den
Existenzbedingungen usw. unterschiedliche Kampfformen in den Vordergrund,
werden zu den wichtigsten und in der Folge ändern sich die sekundären,
zusätzlichen Formen ebenfalls. Der Versuch mit ja oder nein zu antworten, wenn
es um die Einschätzung eines bestimmten Kampfmittels geht, ohne ausführlich die
konkreten Umstände der Bewegung und den erreichten Entwicklungsstand zu prüfen,
hieße, das marxistische Terrain vollkommen zu verlassen. »
Das bedeutet zumindest, daß der bewaffnete Kampf als wichtigste Kampfform
einer revolutionären Strategie nicht von vorneherein als im Widerspruch zur
marxistischen Theorie ausgeschlossen werden kann.
2.
Der
revolutionäre Terrorismus ist eine nützliche und notwendige Form des Kampfes,
der Teil unseres kommunistischen Erbes ist.
Dann stellt sich eine Frage nach der Bedeutung, die des Begriffs « Terrorismus ».
Dieses Konzept hat im Verlauf der Geschichte einen Bedeutungswandel
durchgemacht. Er wird von den Medien sehr pejorativ verwendet, anscheinend seit
dem letzten Weltkrieg aufgrund der negativen Verwendung dieses Begriffs durch
die Nazi-Propagandisten. Vor dieser Zeit enthielt dieses Wort ein weniger
deutliches Werturteil und Emotionalität sondern bezeichnete einfach eine
besondere Form des politischen Handelns :
Gewaltsame Aktion, um diejenigen, gegen die es gerichtet war, in Terror zu
versetzen. Diese Bedeutung wird von den historischen Theoretikern des Marxismus
benützt, die damit nur die Form bestimmter Aktionen ohne pejorative
Nebenbedeutung bezeichnen. Für sie unterscheidet sich Terror von Aktionen in
Zusammenhang mit einem Aufstand dadurch, daß er den gesamten revolutionären
Prozeß begleiten kann, ohne wie der Aufstand auf eine Endphase beschränkt zu
sein. Doch hat er damit nicht nur eine einfache punktuelle Bedeutung und Engels
hob bereits eine strategische Funktion hervor :
« Um
die Agonie der alten Gesellschaft und die blutigen Geburtswehen der Neuen
abzukürzen, zu vereinfachen und zu konzentrieren, gibt es nur ein Mittel : « den revolutionären Terror ».
Das ist deutlich ! Allerdings ist zuzugeben, daß
dieses Zitat mit einer einschränkenden Bedeutung dargestellt werden kann, das
heißt daß der Terrorismus eine Art Hilfsmittel wäre, wenn auch sicherlich
strategischer und nicht nur taktischer Art, da er nach Engels eine allgemeine,
historisch ausgedehnte Aktion ist, aber das doch vor allem zur Verschärfung der
Widersprüche dienen würde, um den Zusammenstoß der Klassen zu radikalisieren
und zu beschleunigen, ohne daß damit dem Terrorismus eine Funktion auf der
Ebene der eigentlichen politischen Entwicklung zugewiesen wäre ( mit
der Organisation verbunden, usw. ). In diesem Zitat erscheinen Terrorismus
und Partei nicht deutlich verbunden, doch werden wir sehen, daß sie es sind,
daß der Terrorismus seinen Platz im Prozeß des Aufbaus der Partei hat und daß
der Terrorismus von der Partei gelenkt, organisiert werden muß. Der
revolutionäre Terrorismus ist nicht eine Form des individuellen Kampfes, den
man als unmittelbare Form des Widerstands des Proletariats einfach spontan
stattfinden lassen könnte. Die Avantgarde muß die Führung davon übernehmen,
sagen Marx und Engels :
« Weit
davon entfernt, sich den angeblichen Exzessen und Repressalien der Volkswut
gegenüber gehaßten Individuen oder Gebäuden mit denen sich abscheuliche
Erinnerungen verbinden, zu widersetzen, muß man diese Repressalien nicht nur
einfach dulden, sondern ihre Führung direkt in die Hand nehmen ».
Die Bolschewiken
traten nachdrücklich für Terroraktionen ein. Lenin betont das ausreichend, man
braucht sich nur seinen Text über den « Partisanenkrieg » oder die Sammlung
von « Texte über die Jugend » anzusehen, wo er
Jugendliche beschimpft, die nicht genügend Bomben herstellen und sagt, es sei
richtig, die Verantwortlichen der Repression zu töten, das Geld in den Banken
zurückzuholen wie es die Bolschewiken taten ( siehe die berühmten
Banküberfälle Stalins in Baku 1904 ... ).
Aber Vorsicht, wir können nicht die aktuelle Notwendigkeit des bewaffneten
Kampfes erklären, indem wir Analysen vom Beginn des Jahrhunderts über die
moderne Realität hervorbringen. Zumal für Lenin der Einsatz von Terror nur eine
Kampfform sein konnte, die der Massenaktion und der politischen
nicht-militärische Aktion der Partei untergeordnet war und, was wesentlich ist,
mit dem einzigen Ziel, den Aufstand vorzubereiten. Dabei wurden zwei Ziele
verfolgt, das erste besteht darin, die Massen mit der Taktik des Aufstands
vertraut zu machen :
« Der
Partisanenkrieg, der allgemeine Terror, die sich seit Dezember in Rußland fast
ohne Unterbrechung überall ausbreiten, werden unbestreitbar dazu beitragen, den
Massen die richtige Taktik im Augenblick des Aufstands beizubringen. Dieser
durch die Massen ausgeübter Terror muß von der Sozialdemokratie akzeptiert und
in ihrer Taktik eingefügt werden ; sie muß ihn selbstverständlich
organisieren und kontrollieren, und den Interessen und Erfordernissen der
Arbeiterbewegung und des revolutionären Kampfes allgemein unterordnen. »
( Lenin )
Das zweite Ziel besteht darin, durch diese Taktik zur politischen und
militärischen Formierung der Avantgarde ( immer im Hinblick auf den Aufstand )
beizutragen, wie es Lenin 1905 sagt, als er den Angriff eines Kommandos auf ein
Gefängnis begrüßt :
« Hier
werden die Vorkämpfer des bewaffneten Kampfes nicht nur verbal, sondern auch
durch die Tat eins mit der Masse, sie setzen sich an die Spitze der
Kampfabteilungen und -Gruppen des Proletariats, bilden durch das Feuer und
Eisen des Bürgerkriegs Dutzende von Volksanführer die morgen, am Tag des
Arbeiteraufstands, mit ihrer Erfahrung und ihrem Heldenmut tausende und
zehntausende Arbeiter werden unterstützen können. »
Man wird uns
entgegenhalten, daß durch diese letzten Zitate eine Begriffsverschiebung des « Terrorismus »
( die eine gewisse Pünktlichkeit der Aktion impliziert )
zu dem des « Partisanenkriegs » erfolgt ;
wir können also annehmen, daß diese Differenzierung den Begriff
aufeinanderfolgender Phasen in der organisatorischen Funktion und Nutzung der
bewaffneten Kampfformen einführt, einer Konzeption die noch heute voll
gerechtfertigt erscheint.
Um klar und unbestreitbar die leninistische Konzeption der bewaffneten
Aktion zusammenzufassen, muß man Lenins Vorschläge beim Vereinigungskongreß der
POSDR von 1906 lesen :
« 1. Die Partei muß zugestehen, daß bewaffnete
Aktionen von zur Partei gehörenden oder an ihrer Seite kämpfenden Kampfgruppen
grundsätzlich zulässig und in der aktuellen Periode opportun sind ;
2. Die Art der bewaffneten Aktionen muß der Aufgabe entsprechen,
Führer für die Arbeitermassen in der Zeit des Aufstands auszubilden und
Erfahrung in der Durchführung überraschender Offensivaktionen zu erwerben ;
3. Das wichtigste Nahziel dieser Aktionen muß die Zerstörung des
Staats-, Polizei- und Militärapparats sowie ein gnadenloser Kampf gegen die
aktiven schwarzen Hundertschaften [ Extreme zaristische Rechte ] sein, welche Gewalt und Terror gegen die
Bevölkerung einsetzen ;
4. Zuzulassen sind auch bewaffnete Aktionen, um in den Besitz von
Finanzmitteln des Feindes zu kommen, das heißt der autokratischen Regierung,
damit diese Gelder dem Aufstand zugute kommen ; dabei ist
sorgfältig darauf zu achten, daß die Interessen der Bevölkerung so wenig wie
möglich benachträchtigt werden ;
5. Bewaffnete
Partisanenaktionen müssen unter Kontrolle der Partei so durchgeführt werden,
daß die Kräfte des Proletariats nicht nutzlos vergeudet werden und daß
gleichzeitig die Eigenschaften der Arbeiterbewegung in dem entsprechenden Ort
sowie die Einstellung der breiten Massen berücksichtigt werden. »
Man könnte die militärische Frage auch ausgehend vom Standpunkt des
Blanquismus, des Anarchismus, des guevaristischen Foquismus, des Maoismus usw.
betrachten ; wenn wir das nicht tun, dann weil die Kritiken
die an uns geübt werden vorgeben, sich auf traditionelle marxistische Bezüge abzustützen,
aber auch weil wir uns selbst auf einen orthodoxen Marxismus beziehen [ im Gegensatz zu den theoretischen
Grundlagen bestimmter bewaffneter deutscher und französischer Gruppen, die
derzeit die Medienszene beherrschen ] der den beachtlichen theoretischen und
praktischen Beitrag von Lenin miteinbezieht. Außerdem weil uns natürlich die
mechanische Übernahme der von Lenin in seiner Zeit erarbeiteten Lösungen völlig
verfehlt erscheinen würde, obwohl sie die theoretisch gründlichsten und
zusammenhängensten sind, die man unserer eigenen Auffassung von der
militärischen Frage im modernen revolutionären Prozeß entgegensetzen kann.
3.
Die
leninistische Insurrektionstheorie ist eine historisch richtige, jedoch heute
überholte Form.
Lenins
Auffassungen zum bewaffneten Kampf sind sowohl auf der Ebene der theoretischen
Grundsätze als auch hinsichtlich der historischen Notwendigkeiten einer
bestimmten Epoche richtig. Nun hat sich aber die Epoche geändert, diese
Konzeptionen bleiben grunsätzlich richtig, sie müssen aber auf der Ebene der
politischen Praxis neu formuliert werden. Es gibt Phasen die neu zu bestimmen
sind, andere verschmelzen dadurch daß sie überholt sind, die Zeit bringt neue
Erfordernisse mit sich.
Die wesentliche
Veränderung betrifft den Begriff des Aufstands, dessen Vorbereitung wie wir
gesehen haben, für Lenin die Formen des bewaffneten Kampfes rechtfertigte und
bestimmte ( doch selbst das könnte man den verschiedenen
linksradikalen Sekten entgegenhalten die objektiv gesehen nichts als
Reformismus betreiben, indem sie abgesehen von einem verbalen Radikalismus und
einer überholten rituellen Phraseologie nicht den geringsten strategischen oder
taktischen Unterschied gegenüber den Sozialdemokraten aufweisen, sich aber
trotzdem zweifellos in mystischer Weise auf Marx, Lenin oder Mao zu berufen
wagen ). Der Aufstand bleibt für alle die sich als
proletarische Revolutionäre begreifen ( und somit die Machtübernahme durch das
Proletariat anstreben ), auch wenn sie heute den bewaffneten Kampf
ablehnen, strategisch ausgedrückt das Hauptziel, das zu einem Umsturz der
bourgeoisen Herrschaftsapparate führen soll. Sie können im übrigen
diesen Aufstandsprozeß auf verschiedene Art und Weise sehen, doch es ist das
Prinzip selber des Aufstands das uns als nicht mehr passend im modernen Westen
erscheint, und deshalb spielt die Kritik eine wesentliche Rolle in unserer
Auffassung des bewaffneten Kampfes. Eine Darstellung des Inhalts dessen, was
wir als die Leitlinien einer Strategie des bewaffneten revolutionären Kampfes sehen,
wird somit die Kritik der Insurrektionstheorie einbeziehen. Und wir hoffen
durch diese wenigen Erklärungen unseren lieben Kritikern begreiflich zu machen,
daß sie im Irrtum sind, wenn sie behaupten daß für uns « die Folge der
Vermehrung individueller Handlungen oder der kleinen Gruppen zur Revolution
führt, weil dies die Massen « erwecken » würde ! Das ist absurd. Wir haben niemals weder
theoretisch noch praktisch auch nur das geringste mit
dem Anarchismus oder irgendeiner Form von kleinbürgerlichen Radikalismus zu tun
gehabt. Im übrigen sind wir allmählich etwas verärgert darüber, daß immer alles
in einen Topf geworfen wird, Verwirrungen sorgfältig aufrecht
erhalten und Kritiken an imaginären Standpunkten geübt werden. Wir
fordern daher die ultralinken Grüppchen aller Art sowie die verschiedenen
Linksradikalen auf, sich mit ihrer Kritik an unsere genauen und konkreten
Standpunkte zu halten und nicht an das, was sie sich als getreue Mitläufer der
Staatspropaganda oder als glühende Anhänger des radikalen Kretinismus auf eine
absurde Art und Weise einbilden ( oder einbilden wollen ) was wir tun,
sagen, denken.
Andererseits muß man erst einmal Begriffsklarheit schaffen, um diskutieren
zu können. Zum Beispiel, das was immer als « militärische Frage »
bezeichnet wurde, ist nicht dasselbe wie die Frage des proletarischen
Selbstschutzes. Man muß beides genau auseinanderhalten. Der Selbstschutz der
Arbeiter und des Volkes in den Kämpfen ist ein wichtiges Problem, für das eine
Praxis des bewaffneten Kampfes bestimmte Lösungen bringen kann, sicherlich aber
nicht auf eine systematische Art und nicht immer wünschenswert. Der
Selbstschutz ist wichtig für die Entwicklung der proletarischen Kämpfe und den
Prozeß des Bewußtwerdens, es ist ein Begriff der nicht im Gegensatz zum
bewaffneten Kampf steht, ihn aber auch nicht impliziert. Wenn wir hier vom
bewaffneten Kampf sprechen, dann nicht im Rahmen der unmittelbaren taktischen
Probleme der Massenbewegung ( das ist eine Frage die wir an anderer
Stelle diskutieren können ), sondern auf der Ebene des globalen
revolutionären Prozesses, das heißt im Rahmen einer historischen revolutionären
Strategie. Die « militärische Frage » bezeichnet das
allgemeine Problem des militärischen Kräfteverhältnisses zwischen den Kräften
des Proletariats und den imperialistischen Kräften. Damit stellt sich die
militärpolitische Frage nach der Bildung von kämpfenden Kräften, nach der Art
des Parteiaufbaus, der Zerstörung des bourgeoisen Staatsapparats, der
Machtübernahme durch das Proletariat auf dem Weg zum Kommunismus.
V.
Der
bewaffnete Kampf in der revolutionären Strategie
1.
Kritik
der Theorie der friedlichen Aufstandsvorbereitung.
Also, wie stellen
wir uns diese Strategie vor ?
Um auf diese Frage zu antworten, müssen wir auf das Problem der leninistischen
Auffassung der Strategie zurückkommen, um zu sagen worin wir die verschiedenen
Linien dieser politischen Strömungen nicht teilen können, die sich als Wächter
einer angeblichen marxistischen Orthodoxie, « Fundamentalismus »
oder « Evangelismus » des Marxismus, je nach den Fällen,
ausgeben, und die sich mit Hilfe von außergewöhnlichem Mut oder einer noch
erstaunlicheren intellektuellen Verkalkung seit nunmehr 60 Jahren krampfhaft
als die Partei oder die künftige Partei sehen und in der liturgischen Verzauberung
der geheiligten Texte und gegenseitiger Exkommunizierung leben, ohne jemals
auch nur eine Spur von Phantasie oder Realismus an den Tag zu legen !
Diesen Strömungen zufolge wären Methoden anzuwenden, die in halb
feudalistischen Ländern zu Beginn des Jahrhunderts mehr oder weniger Erfolg
hatten. Und dies durch politischen Kampf, mit dem Versuch den Bewußtseinsstand
der Massen durch eine geduldige Agitations-und vor allem Propagandaarbeit,
durch Erklärung und Erziehung zu heben, bis zu jenem strahlenden Morgen des
großen Abends, wo den Massen dann nur noch Gewehre ausgeteilt werden müssen um
den Sturm auf die Paläste anzutreten. Es ist nicht verwunderlich, daß sich
angesichts des geringen Erfolgs dieser Strategie die meisten linksradikalen
Strömungen gesagt haben, daß in der Verzweiflung der Lage es noch vorzuziehen
war am Arsch der Sozial-Demokratie zu kleben, um die wachsamen Kritiker zu sein
oder um eines Tages eine kleine Beteiligung an der Regierungsmacht zu erlangen
und sich dabei gleichzeitig, um den Schein zu wahren, zu sagen man werde dann
die Sozialdemokratie « links » überholen ( wie in Chile,
Portugal usw. nehme ich an ? )
Zwei Probleme
tauchen bei dieser Auffassung der Bewußtseinserweckung und der Organisation der
Massen allein durch die traditionelle politische Arbeit auf und wir müssen
unsere Strategie unter Berücksichtigung dieser Probleme konzipieren. Das erste
Problem betrifft die Frage der Möglichkeit einer friedlichen Vorbereitung zum
Aufstand. Das zweite Problem ist die Möglichkeit des Aufstands selbst.
Betrachten wir dies aufmerksamer.
Ist eine
friedliche Vorbereitung zum Aufstand möglich ?
Wenn wir darauf mit nein antworten, wollen wir natürlich nicht sagen daß die
Kämpfe zur Befriedung der unmittelbaren Bedürfnisse der Massen sowie der nicht
bewaffnete politische Kampf für die Propaganda und des Auftretens neuer
Organisations-formen der Massen nutzlos seien, ganz im Gegenteil sie sind sogar
erforderlich und es geht hier nur um die Frage, welche Kampfform die Avantgarde
heute annehmen muß, die in der sich die kommunistische Strategie in ihrer
zugespitzten und umfassendsten Form konzentrieren muß.
Man muß bei der
Betrachtung der objektiven Realität auf die außerordentlichen Fähigkeiten der
heutigen Bourgeoisie zur Verwertung, Absorbierung und Unterschlagung sehen. Das
hängt mit den im Lauf der kapitalistischen Entwicklung auf allen Ebenen der
Gesellschaft eingetretenen Umwandlungen zusammen. Es gibt immer weniger Räume
die sich der Rationalität der kapitalistischen Produktionsweise entziehen
können und das äußert sich in verschärfter Entfremdung, allgemeiner Kontrolle
durch die Herrschaftsorgane über alle Lebensbereiche. Die Rationalität des
sozial-ökonomischen Systems selbst und seine Allmacht sind die Hauptursache für
den ideologischen und psychologischen Zustand und umso mehr diese Rationalität
ausgewertet wird, umso schlechter ist der Zustand. Die Werkzeuge der
Manipulation, der Reproduktion der Ideologie waren noch nie so mächtig und sie
sind auch immer wirksamer geworden. Früher spielten Kirche, Familie usw. eine
Repressionsrolle ersten Grades, einfach durch direktes Verdrängen und Hemmen
mit Hilfe von Tabus, während heutzutage das System sehr viel komplexer ist und
die psychologische Repression sich permanent jedem Fortschritt der kapitalistischen
Entwicklung anpaßt, wobei das Verdrängen durch verschiedene Übertragungen
erfolgt ( man verzichtet auf seine Freiheit, doch Kredit
läßt den Neuwagen als Geschenk erscheinen ... ). Und vor allem der Klassenkampf ist nach
dem gleichen Prinzip auch eine Triebkraft für das Kapital, ein gewisses Niveau
an Protest ist für das System notwendig und gehört zu seinem Betrieb. Und sei
es nur um den Bedarf zu wecken, auf den das System durch massive und
anarchische, verdummende, Überinformation antwortet, die er braucht um uns zu
betäuben und uns seine Macht-Ideen einzuhämmern.
Wie sollen wir
nun durch Flugblätter, kleine Zeitungen, Sprühaktionen und Megaphone wirksam
der Macht der staatlichen und monopolistischen Massenmedien Konkurrenz bieten,
die vom Imperialismus weltweit verbreitet sind ?
Allein schon diese Feststellung begründet die Mutlosigkeit des
Linksradikalismus, dem nur folgende Alternative bleibt : Integration in
der Unterwerfung oder die Sterilität kleiner Abwehrinseln, die
zusammengeschweißt werden entweder durch versichernde Dogmatik oder durch
einträchtiges Nebeneinander und die sich dadurch die Illusion geben Widerstand
zu leisten, während sie doch nur den Versuch machen, ein wenig abseits zu
leben. Wir behaupten dann, daß heute keinerlei Fortschritt ohne eine Strategie
des radikalen Bruchs in allen Bereichen möglich ist, wir sagen das es sich
nicht um Selbstschutz handelt, es geht nicht darum Gruppen zu bilden um sich
warm zu halten, indem man sich mittels einer Gruppensprache als anders bezeichnet
als es der Oppressor wünschen würde, um eine Lebensweise, um eine Redensart, um
einen Wortstreit, der übrigens semantisch immer gleich abläuft, welche
Gedankenreferenz es auch immer sein mag ( freiheitlich, « alternativ »,
« marxistisch-leninistisch », Zeugen Jehovas
oder sogar « bewaffneter Kampf » ... ), wenn es dabei um eine Art des Seins,
und im gewissen Sinn um eine existentielle Militanz und nicht so sehr um eine
Kampfstrategie geht, mit der konkret eine Revolution, ein Machtwechsel
herbeigeführt werden soll. Wir sagen, man muß mit der Einfachheit vorgekauter
Ideen und den Selbstbefriedigungen Schluß machen, die sich aus einem bestimmten
Pro-testgebaren ergeben ( Filzpantoffeln unter den Cowboystiefeln tragen ! ). Weder Opfer noch Komplizen, wir müssen
die sein, die angreifen.
Man kann heute
nicht mehr annehmen, daß durch einfache politische Überzeugungsarbeit der
Bewußtseinstand des Proletariats soweit gehoben werden kann, wie es für einen
Aufstand notwendig wäre. Man kann sich übrigens fragen ob das jemals denkbar war ...
Vergessen wir
z.B. nicht, daß das vorrevolutionäre Rußland politisch-ideologisch nicht mit
unseren bourgeoisen Demokratien vom ende des 20. Jahrhunderts vergleichbar ist : Beim Verteilen der Iskra riskierte man
Sibirien und bei Demonstrationen setzte man sich nicht den harmlosen
Tränengasgranaten aus, die hier zu dem Ruf Faschismus führen, sondern
Säbelhieben. Das bedeutet, daß zu jeder Epoche die gleichen Kampfformen nicht
die selben Werte des Bruchs und der Subversion haben ; im schlimmsten
Fall war das Anbringen einer Roten Fahne in der zaristischen Epoche eine ebenso
radikale Dissidenz wie heute das Legen einer kleinen Bombe.
Außerdem darf man die Leute auch nicht für dumm halten, heute können die
Proletarier nachdenken, lesen, sie sind gut informiert und begreifen daß das
System verrottet und schädlich ist, und wenn auch Aufklärungs- und
Infor-mationsarbeit nach wie vor notwendig ist, so muß sich unser politisches
und ideologisches Vorgehen anders äußern, andere Ziele haben.
2.
Ideologische
Rolle des bewaffneten Kampfes.
Das System der
Entfremdung erreicht nie gekannte Grade und das könnte hinsichtlich der
Möglichkeiten zur Befreiung pessimistisch stimmen. Das wäre ein Fehler, da die
Unterdrückung sich zur gleichen Zeit entwickelt wie sie die Mittel zu ihrer
Bekämpfung und die Gründe zu ihrem Verschwinden entwickelt. Insbesonders geht
die wirtschaftliche Entfremdung der Arbeit einher damit, daß dem Arbeiter seine
Arbeit fremd wird, daß ihm seine Arbeit keine Befriedigung mehr schafft, daß er
in ihr keine ethische oder schöpferische Tätigkeit sieht, deren Rechtfertigung
im allgemeinen kaum noch sichtbar ist, außer der einzigen Rationalität der
Ausbeutung ; ein Wandel der den Bruch mit dieser
Produktionsweise nur erleichtern kann. Das System reagiert auf diese neue
Schwäche, die sich aus der einfachen Entwicklung des Kapitalismus ergibt durch
gesteigerte Repression, durch Schaffung von Abhängigkeit. Es wird also alles
getan, um die Individuen voneinander zu isolieren, Klassenabgrenzungen mittels
kultureller Beeinflussungen je nach Altersgruppen, Moden usw. zu verwischen und
insbesonders durch massive Besetzung des gesamten Alltags, bis zur Manipulation
des Unbewußtseins, um ein Gefühl der Vernichtung, der Unterlegenheit und der
Schwäche des Individuums zu bilden, daß sich machtlos und allein fühlt
angesichts eines übermächtigen Systems, das ihm engumgrenzte Bezirke
einrichtet, die aber nur das negative Abbild der Maschen in dem
Überwachungsstrich und Steuerungsnetz sind. Abgegrenzte Bezirke für die
Lohnarbeit, für das Vergnügen, zum lernen, zum lieben, wobei sich der Konsum
ritualisiert und die Legalität sich nicht zu sehr als großer Knuppel darstellt
sondern mehr als eine Vielzahl von Türen ( Presse, Parteien,
Versammlungsfreiheit, Streikrecht, Meinungsfreiheit usw. ), mit der
Überschrift « zum Protestieren - hier eintreten »,
die zum weichen Daunenbett der bourgeoisen Demokratie führen, die Schreie und
Schläge erstickt.
Auch wenn Worte
und Faustschläge sich nutzlos und verzweifelt in der weichen Matraze verlieren,
die tatsächlich die beste Panzerung der bourgeoisen Diktatur ist, können wir
doch durch Feuer und Schwert Risse hervorrufen, aus denen die dämpfenden Federn
hervorquellen werden, was zu einem Blutsturz der Demokratie führen wird. Das
bedeutet sicherlich eine Verringerung der « Freiräume »
und der Grund « Freiheiten »,
eine Radikalisierung der Repression, doch zugleich wird auch das Feindbild
deutlicher und die Widersprüche werden bis zum Zerreißen zugespitzt, die
bourgeoise Diktatur wird ihrem augentäuschenden Schleier beraubt und zeigt ihr
wahres Gesicht, eine klare und direkte Entwicklung des Kampfes, Kraft steht
gegen Kraft, Klasse gegen Klasse. Die Verteidiger des Kapitalismus können den
bewaffneten Kampf verleumden, schlecht machen, die Partisanen als « Terroristen »
bezeichnen, ihre eigenen Denkkategorien auf die Guerilla übertragen und in ihr
das sehen, was sie selbst sind : Söldner, und somit zu versuchen, sie zu
schwächen. Doch sie werden niemals die bewaffnete Opposition
institutionalisieren und auffangen können, während doch alle anderen Formen
außer der des revolutionären Krieges von der Funktionsweise des Kapitalismus
integriert werden können. Weil kein gesellschaftliches und damit staatliches
Klassensystem Handlungen hinnehmen kann, die auf seine gewaltsame Zerstörung
abzielen.
Auf der Ebene dieser Phase, die früher die einer nicht bewaffneten
Vorbereitung war, zielt der bewaffnete Kampf allein auf einen echten Bruch des
Konsens ab, indem er die Dissidenz über die mögliche Funktionsweise des
Kapitals und des Staates hinaustreibt. Der Partisanenkrieg zeigt die Schwächen
des für allmächtig gehaltenen Feindes, er zeigt daß man kämpfen und siegen
kann. Schon die einfache Tatsache daß man zu Repressalien gegen den Feind in der
Lage ist, spielt ideologisch gesehen eine außerordentliche bedeutsame
befreiende Rolle. Schon die geringste Erfahrung in militanter Massenarbeit
zeigt das : die Leute sagen uns bei der Arbeit oder auf der
Straße, daß sie die Nase voll haben und daß alles vollständig änderen müßte,
und wenn sich dabei auch jeder Einzelne unschwer bereit erklärt revolutionär zu
sein, so wird er doch hinzufügen, daß es keinen Zweck habe sich zu engagieren,
Gefahren auf sich zu nehmen, da niemand wirklich etwas tue und alle anderen
Dummköpfe sind usw. Dann ist es politisch und ideologisch von großer Bedeutung
zu beweisen, daß der Klassenfeind nicht allmächtig ist, daß solidarisches
Handeln der Bevölkerung möglich ist und daß man den Ausbeutern schmerzhafte
Schläge zufügen kann, daß Bullen und Justiz für ihre Morde und Übergriffe
bezahlen müssen, daß die kolonialistischen Söldner physisch für die Ermordung
jedes Bruders in der Welt und jedes den beherrschten Ländern geraubte Kilogramm
Reichtum büßen müssen, jeder Arbeitgeber physisch und materiell daran gehindert
werden kann, sich auf dem Rücken des Arbeiters zu bereichern, auf Kosten seiner
Erschöpfung, Entfremdung, Verstümmelungen, auf Kosten eines Lebens das
beschlagnahmt war durch die absurde Rationalität eines unmenschlichen Systems.
Außerdem sagen wir daß bewaffneter Kampf zum Hoffnungsträger werden kann, zum
Funken der Würde, welche die Flamme der Freiheit entzündet.
3.
Der
revolutionäre Kämpfer muß eng mit den Volksmassen verbunden sein.
Doch das ist nur
die allgemeine politisch-ideologische Rolle des bewaffneten Kampfs, der global
handelt als Beispiel für den Widerstand und den revolutionären Angriff unter
konkreter Veränderung des Kräfteverhältnisses und des Feindbildes, welche
andere menschlichen Werte in Erscheinung treten läßt, als die, mit denen uns
die alte Gesellschaft der Herrschenden versteinert. Es gibt eine deutlichere
politisch-ideologische Rolle, die der Existenz des bewaffneten Kampfs innerhalb
der Massen. Denn unsere üblichen Kritiker werfen uns vor, wir stünden außerhalb
der Volksmassen und genau dieses Bild zeichnet auch die reaktionäre Propaganda.
Daß bestimmte bewaffnete Gruppen heute sozial völlig abseits stehen und auch
nicht den geringsten politischen Bezug zu den Massen haben ( höchstens
um gelegentlich in antirepressives Elendsgejammer zu verfallen oder sich in den
Gefängnissen mit der Kriminalität des Lumpenproletariats gleichzuschalten )
steht fest. Andererseits ist es auch normal und unvermeidlich, daß die
Militanten individuell gezwungen sind völlig im Untergrund zu arbeiten, um ihre
Aktivitäten korrekt fortsetzen zu können. Doch außerhalb des Volks steht nur
der, der das wünscht.
Es sei uns
gestattet, durch ein kleines persönliches Beispiel diese Frage zu erklären :
Bevor ich mich aufgrund der Ereignisse und bestimmter Notwendigkeiten, die sich
aus unseren politischen Entscheidungen ergaben, gezwungen sah, ganz zum
Militanten zu werden, war ich ein Arbeiter wie jeder andere,
Gewerkschaftsmitglied ( nicht aus Bewunderung für die Gewerkschaft,
sondern ganz einfach, weil die Gewerkschaft bestimmte militante Möglichkeiten
bot und die fortschrittlichsten Elemente ihr angehörten ) wobei ich mein
illegales Engagement geheim hielt und gleichzeitig ganz legal in der Agitation
und Massenorganisation, der Information und Propaganda tätig war. Ende dieser
persönlichen Zwischenbemerkung. Wir wollten nur sagen, daß der bewaffnete Kampf
einen nicht zum Außenstehenden in Bezug auf die Massen macht, wenn man das
nicht will ( und wir wollen es eben nicht ). Selbstverständlich
können bewaffnete Aktionen heute nur durch Untergrundstrukturen geführt werden,
doch das bedeutet nicht daß deswegen ihre Militanten oder ihre politischen
Linien der breiten Masse fremd sind. Ebenso wie ein Flugblatt nicht von der
breiten Masse formuliert und verteilt wird, sondern von ihren
fortschrittlichsten Elementen, und das gleiche gilt auch für den bewaffneten
Kampf, insoweit er von den fortschrittlichen Elementen des Proletariats oder
anderen Schichten des Volks geführt werden muß, und nicht von einer Art
revolutionärer Geheimagenten die nicht in die Massen einbezogen wären.
Solange ihre eigene Sicherheit es ihnen erlaubt, müssen die Partisanen eine
Lebensweise beibehalten, die den übrigen Proletariern konform ist, ihre
Klassenidentität nicht nur ideologisch und politisch, sondern durch ihre eigene
soziale Stellung beibehalten, aktive, alltägliche, permanente Beziehungen zu
den Volksmassen unterhalten. Nicht nur durch die Anwendung einer historisch
gesehen proletarischen politischen Linie, sondern auch durch ihre Rolle als
objektive Avantgarde im Alltagskampf des Proletariats, insbesonders in den
Kämpfen für die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse der Massen. Und wenn
diese soziale Integration für eine winzige Minderheit von Militanten aus
Sicherheitsgründen oder aufgrund besonderer militanter Aufgaben nicht möglich
ist, dann dürfen das keine Außenseiter oder Rebellen sein, sondern
Vollzeitmilitante, Berufsrevolutionäre und wenn auch das Wort einige Idealisten
schockiert, Funktionäre ihrer Organisation.
4.
Eine
proletarisch politische Linie.
Das zweite
Bindeglied zu den Massen ist natürlich die Verwirklichung einer proletarischen
politischen Linie, die sich auf eine Klassenanalyse und einen Klassenstandpunkt
stützt ; das heißt einer Linie, die der geschichtlichen
Funktion und dem geschichtlichen Werden des Proletariats als Klasse entspricht,
die dazu aufgerufen ist, durch ihre Machtübernahme das Entstehen der
klassenlosen Gesellschaft zu ermöglichen. Die kommunistische Linie.
Die dritte Achse der Integration in die Volksmassen ist die
organisatorische Linie. Wir haben nie an kleine verstreute Einheiten gedacht [ nicht einmal koordiniert oder verbündet in
einer Front ;
die Formen des Kampfes können für die Bildung einer Front nicht maßgeblich sein,
momentan geht es um die Frage der Organisation und der Partei, um die
Entwicklung des revolutionären Kampfs und nicht um eine "Front",
weder national noch europäisch ] welche die Massen durch
ihre Aktion aufwecken sollen, wie das die Anarchisten im vorigen Jahrhundert
denken mochten. Für die Kommunisten geht es gegenüber den Massen darum, durch
ihre politische Praxis das Proletariat aus einer Klasse an sich zu einer Klasse
für sich zu verschieben. Das heißt zur Klassenneubildung eines Proletariats
beizutragen, dessen Bedeutung immer weiter wächst, ( im Gegenteil zu dem
was manche behaupten ) das aber stark aufgeteilt ist ( unterschiedlicher
Status innerhalb der Arbeiterklasse, Proletariat im Dienstleistungsbereich usw. ),
um schließlich die Verwirklichung des Proletariats als Klasse zu beschleunigen,
als dialektische Voraussetzung für dessen eigenes Verschwinden als Proletariat
im Übergang zum Kommunismus. Das bedeutet Zugang des Proletariats zum
Klassenbewußtsein. Träger, Ausdruck und Faktor des Klassenbewußtseins ist dabei
die politische Organisation des Proletariats :
die Partei.
5.
Der
Aufbau der Partei.
Unsererseits
denken wir, daß die Partei sich nicht selbst proklamieren kann, und die Partei
als Voraussetzung für den revolutionären Aufschwung zu schaffen, bedeutet, den
Pflug vor das Pferd zu stellen. Die Partei ist der wichtigste politische
Ausdruck des Proletariats, sein zentraler Ort, der Motor und die Verkörperung
des revolutionären Klassenbewußtseins. Daher kann man annehmen daß wenn man die
Partei verteidigt, man das Proletariat verteidigt, aber wenn der letztgenannte
nun in der Bewegung des Klassenkampfs noch nicht auf eine ausreichende Ebene
der Wiederzusammensetzung, der politischen Identität und im gesamten sozialen
Bereich als der größte objektive und subjektive Widerspruch in Erscheinung
getreten ist, dann riskiert die Entwicklung der Partei, sich auf dem Verrat der
Klasse zu orientieren, durch Kompromisse mit der Bourgeoisie in ihren
parteipolitischen Spiel, oder aber es wird eine Verknöcherung um die « richtigen »
Grundsätze und einer Linie, die zu ihrer Zeit richtig war, deren
Anwendungsversuche aber auf die Wandlungen der objektiven Realität stoßen.
Wir können damit
annehmen, daß die Partei die organisatorische Dynamik der objektiven Avantgarde
des Proletariats zum Ausdruck bringt, daß sie aber als ausdrücklich gebildete
Partei erst in Erscheinung treten kann, wenn sie vom Proletariat auf dessen Weg
in die Welt gesetzt wird, wobei sie dann die politische, theoretische und
militärische Zentralisierung des Proletariats in der Organisierung der
entwickeltesten Elemente seiner Avantgarde ausdrückt ( die Partei ist
weder eine Massenorganisation noch eine Gewerkschaft ). Die Partei
bildet sich als monolitischer Ausdruck der Reife des Proletariats im Zuge der
politisch-militärischen Konfrontation und folglich im Zuge des schrittweisen
Auftretens der Notwendigkeit eines zentralisierten Instruments, das dem
Proletariat als wichtigstes Instrument für die Machtübernahme dienen kann.
Die russischen
Kommunisten haben sich nicht sofort in einer Organisation konstituiert, welche
den Anspruch erhob, allein über die richtige Praxis und von vornherein als
zentral zu gelten. Allerdings konnte dort die Partei als solche vielleicht
frühzeitiger in Erscheinung treten, insofern die proletarische Zentralisierung
unmittelbarer vorhanden war : eine kleine konzentrierte
Arbeiterklasse, die Organisation der Avantgarde dieser proportional reduzierten
Schicht konnte ganz legitim als Partei des Gesamtproletariats auftreten ( dessen
Schichten, von der Arbeiterklasse abgesehen, völlig heterogen waren und damit
keine autonome politische Kapazitäten hatten, was heute nicht mehr der Fall ist ).
Doch sind wir
weder Subjektivisten noch Mechanisten, wir denken auch nicht, daß die Partei durch
spontaner Zeugung oder schrittweise im Laufe der Entwicklung des Klassenkampfes
entstehen wird, da eine Wechselwirkung zwischen dieser Entwicklung des
Klassenkampfes und dem Vorgehen der Partei besteht. Damit es eine Partei gibt,
muß der Wille dazu vorhanden sein, sie muß sich bilden, und diese Bildung muß
einem bewußten politischen Willen und einer geduldigen Organisationsarbeit
entsprechen. Alles hängt jedoch auch von den nationalen historischen
Bedingungen ab, das heißt nicht nur von den objektiven sozialen Gegebenheiten,
sondern auch von der eigenen Geschichte von jeder nationalen Arbeiterbewegung.
In Spanien z.B. wird die Geschichte gekennzeichnet durch eine ununterbrochene
Kontinuität der kommunistischen Bewegung, nicht nur der organisierten kommunistischen
Existenz innerhalb der Arbeiterklasse, sondern sogar auf dem Niveau der
kämpfenden kommunistischen Bewegung, da der bewaffnete kommunistische Kampf
innerhalb des antifaschistischen Widerstands seit 1937 nie aufgehört hat.
Aufgabe der modernen Kommunisten war somit die politische Wiedererrichtung der
kommunistischen Partei und nicht ihre Schaffung aus dem Nichts, und diese
historische Aufgabe ist das Werk der ( wiedererrichteten ) Kommunistischen
Partei Spaniens. Es liegt auf der Hand, daß das in der BRD nicht der Fall ist,
wo die kommunistische Bewegung ganz neu ins Leben gerufen werden muß, da es
keinerlei Kontinuität dieser Art gibt, weil die kommunistische Bewegung dort
seit vor dem Krieg zerschlagen ist.
In Frankreich ist die Lage ebenfalls anders ( diese fundamentalen
Unterschiede tragen übrigens mit dazu bei, daß der Aufbau einer einheitlichen
revolutionären Bewegung auf europäischem Niveau Blödsinn ist, abgesehen davon,
daß soziale, wirtschaftliche und kulturelle Unterschiede selbst in dem imperialistisch
immer stärker vereinheitlichten Europa wesentlich bleiben ; zwischen London
und Athen, Frankfurt und Neapel, Brüssel und Sevilla gibt es ebenso viele
Unterschiede wie zwischen New York und Abidjan ). Etwas
vereinfacht läßt es sich sagen, daß die Lage der Kontinuität der
kommunistischen Bewegung in Frankreich besser ist als in Westdeutschland, doch
nicht so gut wie in Spanien, einerseits aufgrund der Voraussetzungen, unter
denen die FKP entstand, die von Anfang an große Schwächen hatte, und andererseits
weil die Kapazitäten des bewaffneten kommunistischen Kampfs, der im Rahmen des
antifaschistischen Widerstands zur nationalen Befreiung aufgetaucht war, 1945
abgewürgt wurden und wir also 40 Jahre Zerstörung kommunistischer Bewegung in
diesem Land vorfinden. Für uns muß es somit in Frankreich weniger um eine
Wiedererrichtung als um einen erstmaligen Aufbau der kommunistischen Partei
gehen. Das ist eine langfristige organisatorische Aufgabe ;
nun sprachen wir von der Partei, wie wir es weiter oben definiert hatten. Und
diese Steigerungsfähigkeit des Aufbaus der Partei verbietet natürlich nicht
anzunehmen, daß ein wichtiger Schritt auf diesem Wege der relativ kurzfristige
Aufbau einer Partei wäre, einer revolutionären Partei mit folgenden drei Kennzeichen : Kommunistisch, Proletarisch, Kämpfend.
6.
Der
bewaffnete Kampf als Praxis der Avantgarde beim Aufbau der Partei.
Wir stellen
folglich den bewaffneten Kampf nicht als eine Gesamtheit von
Grüppcheninitiativen dar, mit denen die Masse erweckt und Reaktionen ausgelöst
werden sollen, wobei man abwartet was geschieht. Der bewaffnete Kampf kann sich
aber auch nicht darauf beschränken, den « bewaffneten Arm » der Massen zu
bilden, wir lehnen diese Vorstellung völlig ab, die aus der Guerilla ein Art
radikale Untergrundfraktion der Gewerkschaftsbewegung machen würde, wobei
abgewartet würde daß die Massen ein Bedürfnis äußern, um dann zu seiner
Befriedigung beizutragen usw. Wir verstehen den bewaffneten Kampf weder als
Ausdruck eines bewaffneten Arms der Massen noch als den bewaffneten Arm einer
nicht bewaffneten politischen Organisation ( wie das zwischen
der proletarischen Linken und dem neuen Volkswiderstand der Fall sein könnte ; dieses Konzept halten wir heute für
falsch ).
Andererseits
betonen wir nachdrücklich, daß der bewaffnete Kampf nicht nur eine Form des
Kampfs unter anderen ist, nicht ein besonderes Hilfsmittel der Massenkämpfe.
Der bewaffnete Kampf läßt sich nur als kommunistisch und revolutionär
bezeichnen, wenn er sich in die Kontinuität der historischen Strategie der
kommunistischen Weltbewegung einfügt. Er muß zum konkreten Ausdruck des
Prozesses werden, bei dem die organisierte Avantgarde des Proletariats
politisch in den Vordergrund tritt, eine Avantgarde , die der Ort ist, in dem
sich das Klassenbewußtsein des Proletariats katalysiert, was die historische
Funktion der Partei ist, weshalb der revolutionäre bewaffnete Kampf ein
wesentlicher und untrennbarer Bestandteil des Prozesses zum Aufbau der Partei
ist.
Konkret bedeutet das unter anderem, daß der bewaffnete Kampf als politische
Praxis die durch eine wahre Strategie diktiert wird ( die also
unvereinbar ist mit Spontanität und Subjektivismus ) im Proletariat
verankert sein muß und dort als höchster politischer und militärischer Ausdruck
einer allgemeinen politischen Aktion, die zentral organisiert ist,
funktionieren muß; das heißt also, daß die traditionellen Funktionen der
Organisationen einbegriffen sein müssen, die sich auf die revolutionäre
Bewegung berufen, ohne sich die Mittel zu geben um wirklich revolutionär zu
sein. Das bedeutet, daß um den bewaffneten Kampf herum ( das heißt im selben
Rahmen der organisierten Strategie wie der bewaffnete Kampf und nicht speziell
durch ihn ) alle taktischen Formen der politische Aktion,
der Propaganda, Agitation, Denunziation, Erklärung, Information, der Bildung
und Entwicklung von Massenorganisationen ablaufen müssen.
VI.
Die
politisch-militärische Frage
1.
Die
Machtübernahme wird nur durch einen langandauernden
revolutionären Krieg möglich sein.
Nachdem wir uns
mit dem Problem der Bewußtseinserweckung befaßt haben, ausgehend von der Kritik
der Insurrektionstheorie, wollen wir diese Kritik fortsetzen, indem wir sie
diesmal aus militärischer Sicht betrachten.
Die politische
Machtübernahme durch das Proletariat auf einem punktuellen und massiven
Aufstand abzustützen ist heute unmöglich. Wir haben die politischen und ideologische Gründe gesehen, die Gründe bestehen ebenfalls
aus militärischen Motiven. Niemals waren die Repressionsapparate so mächtig und
wirksam, niemals gab es ein solches Mißverhältnis zwischen den militärischen
Möglichkeiten des Proletariats und den militärischen Kräften der bourgeoisen
Diktatur. Auf internationalem Niveau steht uns das System der NATO gegenüber,
die Koordination der Polizeien, die Informatisierung der Nachrichtendienste und
damit der Aufschwung des internationalen Austausches, die wirkungsfähigen
Möglichkeiten des « europäischen Rechtsraums », die aktive
Tendenz zur europäischen Standarisierung der Bullen-, Justiz- und Knastapparate
( mehr oder weniger ), bis zu den
militärischen Geräten. Selbstverständlich ist das alles von der
Homogenisierungstendenz unzertrennlich die sich auf der sozial-ökonomischen und
politischen Ebene, unter der Schirmherrschaft der Sozialdemokratie, ergibt.
Auf nationalem
Niveau brauchen wir uns nicht lange bei der militärischen Macht des Feindes
aufzuhalten, wir werden in dieser Frage von den antirepressiven Heulsusen und
sonstigen Demokraten ( selbst wenn sie bewaffnet sind ),
die vom « großen Bruder » besessen sind,
zur genüge mit Informationen bedient. Es reicht, das beträchtliche Anwachsen
der Militär- und Polizeikräfte zu beschreiben, ihre wachsende technische und
strukturelle Fähigkeit zur Aufstandsbekämpfung, das Überziehen des ganzen
Landes mit einem engmaschigen polizeilichen Netz zur Überprüfung sowohl der
Massen als auch des Einzelnen, für das alle Errungenschaften aus Wissenschaft
und Technik eingesetzt werden.
Selbst in dem
völlig unmöglichen Fall, daß die notwendige Planung und militärische Vorbereitung
des Aufstands der militärischen Kontrolle des Feindes entgehen würde und es
damit auch seiner präventiven Repression entgehen würde, hatten die Volksmassen
auch nicht die geringste Chance im heutigen Westeuropa erfolgreich die direkte
Auseinandersetzungen zu übernehmen, was Formen des Stellungskriegs, die
Errichtung befreiter Gebiete, die Besetzung städtischer Ballungszentren, die
nicht nur punktuell wären, voraussetzt. Heute kann eine zahlenmäßige kleine,
spezialisierte und professionelle Streitmacht, die mit modernem Gerät
ausgerüstet ist, voll wirksam eine Offensive gegen einen Aufstand durchführen.
Ferner ist die neue Dezentralisierung der Einsatzkommandos und ihre
Fernmeldemittel zu berücksichtigen, was bedeutet, daß eine plötzliche
Aufstandsoffensive nicht in der Lage wäre, das operationelle Funktionieren des
Feindes zu lähmen, da die Führungs- Fernmelde-, Logistik- und Kampfmittel nicht
konzentriert sind, sondern auf sehr flexibele Netze verteilt sind ( die
Frage läßt sich heutzutage nicht mehr durch Einnahme einiger Kasernen und des
Hauptpostamts lösen ... ).
Hinzu kommt, daß
wenn die Entwicklungskrise des Imperialismus allzu kritisch andauern würde,
ohne daß ein momentaner Ausweg in einer militärischen Konfrontation zwischen
den Blöcken gesucht würde, könnte der Bourgeoisie gar nichts besseres passieren
als ein Proletarieraufstand, weil es dann zu einer Neuauflage der Vernichtung
der Kommune von 1871, der Kommune von Shanghai, der Spartakisten Bewegung usw.
kommen könnte. Die Bewegung würde im Blut erstickt werden, vor allem durch die
neuen leichten Artilleriesysteme, der Luftkampfmittel ( vor allem
Kampfhubschrauber ), zweifellos auch mittels taktischer
Nuklearwaffen, deren konterinsurrektioneller Einsatz ausgesprochen realistisch
erscheint, weil die materiellen Vernichtungen relativ begrenzt sind ( was
weniger spektakulär und moralisch akzeptabler ist ), wobei die
vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten dieser taktischer Nuklearwaffensysteme
sehr aussichtsreich erscheinen und ein großer Fortschritt der
Militärwissenschaft sind. Diese Art militärischer Konfrontation hätte für die
Bourgeoisie die Vorteile der klassischen interimperialistischen Kriege : Brutale wirtschaftliche Erneuerung,
Beseitigung der Überproduktion usw. Außerdem ließen sich damit einige Reste
institutioneller Widersprüche der Bourgeoisie durch Einsetzung brutaler
staatlicher Strukturen beseitigen, es würde zu einer besseren Beherrschung der
imperialistischen Umstrukturierungsbewegungen kommen, und ein gebrochenes
Proletariat würde wieder erneut ein halbes Jahrhundert sozialen Friedens unter
verstärkter Ausbeutung und Repression ergeben.
Wir müssen uns also für einen langfristigen revolutionären Prozeß, einen
langandauernden Revolutionskrieg entscheiden, weil derzeit die Aussichten auf
eine Revolution ausgeschlossen sind, die sich auf einen friedlichen
parlamentarischen Übergang ( diese Lösung ist so absurd, daß wir gar
nicht darüber sprechen ) oder einen friedlich vorzubereitenden
plötzlichen und massiven Aufstand abstützen würden.
2.
Die
wichtigsten Kriterien in Verbindung mit der strategischen Entscheidung des
bewaffneten Kampfs.
Als Zusammenstoß
zwischen militärisch ungleichen starken Kräften muß der proletarische
Befreiungskrieg als Hauptform die Guerilla haben, da der Partisanenkrieg das
einzige militärische Mittel ist, das bei einer Konfrontation mit zahlenmäßig
und technisch überlegenen Kräften erfolgreich sein kann.
Ein solcher
langandauernder Krieg wird innerhalb des Proletariats die Entwicklung einer
echten ( und nicht selbst ernannten )
Avantgarde ermöglichen, die durch das Klassenbewußtsein bestimmt ist. Ein
Klassenbewußtsein, das nur auf dem eindeutigsten Klassenstandpunkt beruhen
kann. Ein Klassenstandpunkt, der sich nur durch einen absoluten Einsatz im
Klassenkampf, und dies auf seinem höchsten Niveau, in seiner Gesamtheit
erwerben und sich objektiv verwirklichen läßt. Der bewaffnete Kampf für den
Kommunismus zielt auf diese kämpferische Gesamtheit ab und will somit den Raum
der absoluten antagonistischen Konfrontation als den Ort bezeichnen, wo das
revolutionäre Klassenbewußtsein entsteht, insofern es vor allem eine
Vollständigkeit ist, das vollständige Bewußtsein, am Gang der Geschichte als
Klasse beteiligt zu sein, deren Kampf um die Macht die Menschheit aus ihrer
tierhaften verfremdeten Vorgeschichte herausreißen wird.
Die Partei ist
zugleich Träger und Produkt des Klassenbewußtseins, da sie die Zentralität des
Proletariats als Klasse zum Ausdruck bringen muß und die am weitesten
fortgeschrittene Organisationsform des Proletariats ist.
Folglich muß der bewaffnete kommunistische Kampf der höchste ( weil
der vollständigste ) Ausdruck des Klassenbewußtseins sein, doch ist
die Partei zugleich Träger und Produkt dieses Klassenbewußtseins ( genauso
wie sie ihr organisatorischer Ausdruck ist, während das Konzept des bewaffneten
Kampfs sich mehr auf die Äußerungsform als auf die Art der Kollektivierung des
Bewußtseins bezieht ) ; der bewaffnete Kampf äußert sich daher
gemäß einer Entwicklung, welche die der Partei eigentümlichen Funktionen
zunächst auftauchen läßt und dann ihre Verwirklichung anstrebt. In diesem Sinn
ist der bewaffnete Kampf der Klassenkampf, der den Weg zum Aufbau der Partei
beinhaltet. Das erfordert von der Guerilla einen
klaren Kurs bei ihren Entwicklungsentscheidungen. Schauen wir uns das näher an :
— Wir wollen den Kommunismus. Um dahin zu gelangen, muß das
Proletariat die Macht übernehmen und sie ungeteilt ausüben. Das ist heute
angesichts der derzeitigen Polarisierung der Gesellschaft möglicher denn je,
die aus dem Proletariat die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gegenüber
einer Bourgeoisie gemacht hat, die sich zunehmend um die imperialistische
Oligarchie schart, selbst wenn die innere Zusammensetzung des Proletariats
heterogen ist ( allerdings darf man das auch wieder nicht
übertreiben, da z.B. die Arbeiterklasse immerhin sehr viel homogener ist als
früher ). Das « Volk » hier und jetzt ist das Proletariat, nur
die Proletarier. Und das Kleinbürgertum ? Es liegt in jeder Hinsicht im Sterben
und kann keinerlei revolutionäre Rolle mehr spielen, es ist heute historisch
völlig reaktionär, da seine objektiven Interessen, ( die es übrigens in
seinen politischen Äußerungen voll zum Ausdruck bringt ) einmal eine
Ablehnung der Vernichtung des Kapitalismus ( daher der immer
heftigere Antikommunismus des Kleinbürgertums insgesamt, selbst in den früher
als « fortschrittlich » bezeichneten
Schichten : die linksintellektuellen z.B. sind die hohen
Priester des Kreuzzugs gegen den Kommunismus ) und Widerstand
gegen die imperialistische Entwicklung sind, was in beiden Fällen dem Sinn der
Geschichte zuwiderläuft und somit reaktionär ist. Folglich muß sich die Guerilla als Kampfform und Organisationstyp im
Proletariat entwickeln und darf auf keinerlei Klassenbündnis beruhen. Dabei sehen
wir das Proletariat nicht so wie bestimmte Subjektivisten, die den Proletarier
anhand von Bewußtseinskriterien oder Situationen im Abseits definieren, sondern
wir verstehen es im marxistischen Sinn des Wortes und können hier, wenn wir
sehr großzügig sind, nur diejenigen als Proletarier sehen, deren Einkünfte
weder direkt noch indirekt aus einer Mehrwerterpressung stammen. Wir sprechen
dabei nicht vom Proletarier als « soziale Figur » oder von etwas
das durch sozial-kulturelle Kriterien definiert ist, sondern einzig und allein
anhand seines objektiven Platzes in den Produktionsverhältnissen.
Das bedeutet nicht, daß Außenseiter oder Kleinbürger, getrieben von ihrer
Subjektivität oder ihrer intellektuellen Überlegung sich nicht auf Seiten der
Guerilla einsetzen können. Das soll nur heißen, daß
die Arbeit der organisatorischen Entwicklung der kommunistischen Kämpfer sich
ausschließlich im proletarischen Milieu abspielen muß, daß die politische und
militärische Leitung der Organisation streng von Proletariern gesichert wird ( und
nicht von Kleinbürgern bzw. subjektiven Proletariern ).
— Ein weiterer Wesenszug der Guerilla auf ihrem Weg zum Aufbau der
Partei ist die Bildung einer Kaderorganisation. Die den bewaffneten Kampf
führende Organisation hat absolut nichts mit einer Massenorganisation zu tun,
es handelt sich weder um eine bewaffnete Gewerkschaft noch um eine Art
Dachverband von Kampffronten, von sozialen Bewegungen oder bewaffneten Gruppen,
die politisch autonom wären, es handelt sich auch nicht ( folgt meinem Blick ... ) um ein Untergrundgrüppchen, das sich auf
eine Bewegung Ausgeflippter, Lumpenproletarier oder orientierungslosen
Kleinbürgern abstützt ( welche die erste Gelegenheit nützen, um zu bereuen
und ganz aktiv mit den Bullen zusammenzuarbeiten ; auch das ist eine
Gemeinsamkeit zwischen bestimmten derzeitigen Gruppen und den
sozialrevolutionären oder anarchistischen Gruppen von früher, von denen sie bis
zum Sigel beeinflußt werden ). Ganz im Gegenteil, die kämpfende
kommunistische Organisation muß aus kommunistischen Kadern zusammengesetzt
sein, das heißt aus erfahrenen Partisanen, die höchst politisiert sind, eine
solide Erfahrung in Massenagitation, Propaganda und Organisation haben und
ausreichende politische und theoretische Fähigkeiten haben, damit jeder
Militant der aktive Erzeuger der kollektiven politischen Linie sein kann. Jeder
Kämpfer muß in der Lage sein, die gesamte strategische Linie auf sich zu nehmen
und er muß somit politisch und militärisch fähig sein, von sich aus und unter
allen Umständen eine Organisationseinheit ins Leben zu rufen oder neu zu
errichten.
— Um den revolutionären Prozeß wirklich zu beherrschen, und zu
verhindern, daß die kämpfende Organisation nur eine Art bewaffneter Arm der
spontanen Massenbewegung ist ( die durch Spontanität nicht zur Revolution
geführt werden kann, sondern zum « Gewerkschaftswesen » wie Lenin
bemerkte ) und sich diesem gegenüber folgsam und
opportunistisch verhält, müssen Arbeitsweise und Vorgehen der Organisation eine
einzige Linie zum Ausdruck bringen, in der jeder Partisan sich voll
identifizieren muß. Opportunismus und Bündnisse auf der Basis eines « kleinsten
gemeinsamen Nenners » sind abzulehnen. Es handelt sich somit nicht um
eine Sammlungsbewegung, in der jeder tut, was ihm paßt, wobei man sich auf
einer politischen Basis befindet, die häufig in den letzten Jahren die Regel
war, und sich folgendermaßen zusammenfassen läßt : « Man
muß was tun, man muß sich organisieren, um mit den Kumpeln und netten Leuten,
die handeln wollen, Sachen gemeinsam zu tun » oder sonstige
Absurditäten die übrigens de fakto völlig undemokratisch sind, da die Weigerung
der politischen und organisatorischen Strenge dazu führt, daß die tatsächliche
Leitung dieser Art von Konglomerat von einer « Elite »
monopolisiert wird, die aus denjenigen besteht, die aufgrund ihrer persönlichen
Erfahrung oder ihres sozialen-beruflichen Statuts mehr politische und
theoretische Fähigkeiten haben. Eine wirkliche kommunistische Funktionsweise
muß ganz im Gegenteil auf dem demokratischen Zentralismus beruhen, auf einer
präzisen organisierten Struktur, so daß jeder wirklich und wirksam an der
Ausarbeitung der politischen Linie teilnehmen kann, in einer organisierten
kollektiven Betätigung, die sich eine zentrale politisch-militärische Führung
als Funktion gibt, welche die Kollektivierung und Vereinheitlichung der
Synthese der politischen, militärischen, theoretischen und organisatorischen
Praxis der verschiedenen Kampfeinheiten und jedes einzelnen Militanten
gewährleistet.
— Diese strukturierte und zentralisierte Aspekte einer Organisation,
die auf diese Weise versucht, sich die Mittel zu geben, um objektiv an der
objektiven Spitze des Klassenkampfs zu sein, führen dazu daß die Organisation
der kommenden Partei vorgreift und auf diese Weise kann die Partei sich im
Verlauf des revolutionären Prozesses herausbilden. Dieses Konzept des « Vorgriffs »
ist extrem wichtig, denn dank ihm lassen sich sowohl abenteuerliche
Übereiltheit als auch Verknöcherung vermeiden, ein Festfahren aufgrund der Unfähigkeit,
den Kampf von einer Phase in die nächste zu führen. Daher gibt sich der
revolutionäre bewaffnete Kampf keine endgültige Form, die bis zum Endsieg
beibehalten werden müßte, er muß eine Reihe unterschiedlicher Phasen
durchlaufen, die miteinander verknüpft sind und jeweils einer bestimmten
Situation des politischen und militärischen Kräfteverhältnisses entsprechen.
Dabei ergibt sich die Verknüpfung zwischen zwei aufeinander folgenden Phasen
gerade dadurch, daß eine bestimmte Phase einer historisch gegebenen Situation
entspricht, gleichzeitig aber auch auf die folgende Phase vorausgreifen muß und
also die Tendenzen enthält, die sich durch ihre Entwicklung in der folgenden
Phase voll durchsetzen werden, die dann ihrerseits wieder zum Teil auf die
nächste folgende Phase vorausgreifen usw.
3.
Die
Vorbereitungsphase auf die Etappe der bewaffneten Propaganda.
Das bedeutet, daß wir uns in Frankreich in einer Vorphase der Phase der
bewaffneten Propaganda befinden, die aus drei hinsichtlich ihrer Bedeutung
aufeinanderfolgenden Phasen bestehen muß, die jedoch chronologisch gesehen eine
gewisse Gleichzeitigkeit haben sollen oder zumindest rasch aufeinander folgen :
a) Am vorrangigsten ist eine intensive theoretische Vorarbeit, Analyse
der aktuellen Realität in all ihren Komponenten, und deren Neuintegration in
eine historische Perspektive um eine ausreichend konkrete und vollständig
globale revolutionäre Strategie zu entwickeln, die dann in Verbindung der
daraus folgenden Praxis sich als zusammenhängende und totalisierende politische
Linie äußert, welche die politische Kontinuität und die politisch-militärische
sowie die organisatorische Entwicklung weiterführt.
b) Eine politische Einigungsarbeit um die eben genannte
politisch-theoretische Basis. Das muß sich in einem Ansatz zur Strukturierung
der revolutionären Organisation äußern, die bereits zu diesem Zeitpunkt
folgende Eigenschaften aufweisen muß : eine strukturierte Organisation ( anhand
der Erfahrungen, die wir aus den traditionellen Organisationsformen der Arbeiterbewegung
und aus den verschiedenen vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen der
revolutionären Guerilla ziehen ), strategisch zentralisiert,
kommunistisch, im Untergrund und bewaffnet, antiimperialistisch und damit
internationalistisch ( was aber keinerlei Fusion mit Organisationen
bedeutet, die aus anderen nationalen Realitäten herkommen, denn das wäre erst
in einem sehr hohen und damit späteren Entwicklungsstadium denkbar ),
proletarisch durch ihre Zusammensetzung und ihrer Klassenstellung. Sie muß das politische
mit dem militärischen unter einheitlicher Führung verbinden, was bereits ein
Ansatz zur « kämpfenden Partei » ist, von der
Lenin als Organisationsform der Avantgarde während der Insurrektionsperiode
sprach ; das politische darf dabei dem militärischen
nicht untergeordnet sein, andererseits darf das militärische auch nicht einfach
ein « bewaffneter Arm » des politischen
sein, da beim heutigen Stand der imperialistischen Integration die militärische
Frage vor allem eine politische Frage ist und die politische Frage sich ohne
Einbeziehung der militärischen Frage weder lösen noch stellen läßt. Das
politische und das militäre sind untrennbar, und im modernen proletarischen
Befreiungskampf wird die Partei ebenfalls der zentrale Kern der Roten Armee sein.
Die Mittel dieser Praxis der politischen Bildung und Vereinheitlichung sind
der politische Kampf innerhalb der revolutionären Bewegung, Bekehrungseifer,
die Ausbildung von Kadern, Massenagitation und -Propaganda in all ihren Formen
und in allen Bereichen, die wahre Einsätze des Klassenkampfs bilden [ die wahre Einsätze des Klassenkampfs
bilden, das heißt die auf einer objektiven Analyse der objektiven Realität
beruhen, insbesonders auf der Analyse der Klassenzusammensetzung und nicht auf
subjektiven Faktoren wie Streben nach Illegalität und Revolte bzw. Ausmaß der
erlittenen Repression usw. ].
c) Eine militärische Praxis, welche darauf abzielt, der Organisation
die Mittel zur Durchsetzung ihrer Politik und ihrer weiteren
politisch-militärischen Entwicklung in der Guerilla zu
geben. Diese Praxis des bewaffneten Kampfs erfüllt somit drei Funktionen : ideologisch und politisch, logistisch,
organisatorisch. Die Bedeutung der militärischen Aktion in der derzeitigen
Phase ist nicht sofort erheblich und kann keine « strategische »
Tragweite im politischen und ideologischen ( und natürlich noch
weniger im militärischen ) Sinne haben ; sie nicht auf
abstrakten Analysen wie geopolitische Überlegungen oder anderer völlig
abstrakten Konzeptionen beruhen zu lassen, wie die
Umstrukturierung-zur-Kriegsvorbereitung-zu-bekämpfen », unter denen sich
niemand etwas vorstellen kann. Man muß entschlossen konkret, direkt leserlich sein ; ein richtiges politisches Vorgehen ist
ein Vorgehen das keinen Kommentar und Erklärung braucht.
Die Bedeutung dieser Praxis liegt besonders in der Vorbereitung der
wirklich offenen Phase bewaffneter Propaganda, das heißt in dem schon einige
Aspekte aufgezeigt werden, jedoch relativ verstreut und gemäß der flexibelsten
Ausdrucksformen.
4.
Die
Phase der bewaffneten Propaganda.
Diese von uns gerade genannte Phase muß sich konkrete politische und
organisatorische Ziele vornehmen, welche kurzfristig erreichbar sind, da es
sich um eine kurze Periode handelt. Dagegen ist es schwer, im voraus den zeitlichen Rahmen der eigentlichen Phase der
bewaffneten Propaganda zu bestimmen, da ihre Resultate anders als in der ersten
Phase nicht nur von uns abhängen. Die Etappe der bewaffneten Propaganda muß
alle Aufgaben der vorhergehenden Periode fortführen, zu denen sich eine
Umwandlungsaktion der Realität des Landes hinzufügt, indem sie als errichtete
politische Kraft einschreitet. Die Phase der bewaffneten Propaganda ist durch
folgende Aspekte gekennzeichnet, die mehr auf eine Entwicklung als auf eine
direkte Übernahme des Kräfteverhältnisses abzielen :
— die revolutionären kommunistischen Ideen müssen, mit den
Guerillaaktionen als Stütze, so breit wie möglich verbreitet werden ;
diese Aktionen spielen dabei eine medienpolitische Rolle : mag für die
Bourgeoisie womöglich das Fernsehen das schlagkräftigste Medieninstrument sein,
nun gut, für uns ist es die bewaffnete Aktion, deren Wirksamkeit im übrigen
durch die Medien des Feindes verstärkt wird. Es geht nicht um Aktionen, welche
von der Mehrheit der Massen begeistert aufgenommen werden, denn wenn das
möglich wäre, dann würde es bedeuten, daß das Klassenbewußtsein des
Proletariats soweit entwickelt ist, daß die Revolution bereits seit langem
hätte stattfinden müssen ; nein, es geht einfach darum, daß die Aktionen
richtig sind ( nicht richtig an sich, das will nichts besagen,
sondern richtig in Funktion ihrer politischen Wirksamkeit ), wobei die Ziele
so selektiv sein müssen, daß sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht
angegriffen fühlen kann. Die bewaffneten Aktionen müssen in den proletarischen
Schichten Zustimmung finden, bei denen wir die stärksten revolutionären
Potentiale erkannt haben. Das wiederum hängt mit der unumgänglichen notwendigen
Klassenanalyse zusammen, denn bei jeder bewaffneten Aktion muß man ebenso wie
bei jeder schriftlichen oder mündlichen Äußerung, von der Bombe bis zum
einfachen Flugblatt obligatorisch, sehr präzise festlegen, an wen man sich
richtet ; Aktionen der revolutionären Praxis brauchen sich
nicht darum zu kümmern, ob sie moralisch an und für sich richtig sind ( und
wäre es eine « revolutionäre » Moral )
noch um die großen abstrakten Analysen, sondern sie müssen völlig bestimmt sein
durch eine straffe Dialektik, in der die Klasse oder Klassenschicht oder sogar
diese oder jene Gesellschafts-oder Berufsgruppe oder sozial-kultureller
Gemeinschaft bestimmt ist, auf die sich die fragliche Aktion abstützt und an
die sie sich wendet.
— Ausschlaggebend für die Wahl und das Niveau der Aktion ist jedoch
nicht, ob sie « den Massen Spaß macht ». Die Aktionen müssen
nämlich immer oberhalb dessen angesiedelt sein, was von der Mehrheit voll
gebilligt werden könnte, allerdings ohne politisches Aberteuertum, also ganz
genau an der Grenze, jenseits der die Aktion von seiten der Proletarier
mißbilligt werden würde ( angesichts der derzeitigen ideologischen
Herrschaft der Bourgeoisie ). Indem sie also ständig diese
Akzeptstufe der proletarischen Mehrheit streifen, führt die Vervielfachung der
Aktionen dazu, daß die breiten Massen sich daran gewöhnen, die bewaffnete Aktion
als eine politisch legitime, normale und natürliche Form des politischen
Kampfes anzusehen. Der bewaffnete Kampf erlangt dadurch die Legitimität und
Ernsthaftigkeit, die das politische, ideologische und militärische Engagement
einer wachsenden Anzahl von Proletariern begünstigt. Wenn wir in den letzten
Sätzen jedesmal ausdrücklich von « Proletariern » sprechen, dann
weil es uns einzig und allein um das Proletariat geht. Wir messen dem
hysterischen « Antiterrorismus »-Geschrei, dem
Seufzen und Gekreische der Linksradikalen und der Demokraten, das heißt all der
verängstigten Kleinbürger, die sich der Entwicklung des revolutionären
bewaffneten Kampfs widersetzen, nicht die allerkleinste Bedeutung bei, weil
dieser sie nicht mehr ruhig ihre Existenzängste und ihre müßigen Diskussionen
genießen läßt. Der bewaffnete Kampf stört die berugsmäßigen Jammerfritzen, die
in einem abstoßenden Sadomasochismus gegen die « Repression »
Gefallen finden und die fürchten, von der gegen den revolutionären Kampf
gerichteten Repression ebenfalls betroffen zu werden, was uns völlig egal ist,
ganz im Gegenteil, wenn sie durch den Gegenschlag der legitimen
Repressionsaktionen zum Selbstschutz der Bourgeoisie gegen die proletarischen
und revolutionären Angriffe zu leiden haben : eine wahre
Erlösung !
— Gegen die großen und kleinen Wächter der bourgeoisen Moral, die
Jahrhunderte lang als Rechtfertigung für Sklaventum, Massenmord, Repression und
Entfremdung schlimmster Art diente, werden wir die Wahrheit sagen, weil man
sagen muß, wie es ist, um es verändern zu können, wir werden es durch unsere
Politik, durch unsere Aktionen sagen : Nein, nicht alle Menschen sind Brüder,
Mensch ist nicht gleich Mensch, ein Toter hat nicht dasselbe Gewicht wie ein
anderer. Es ist richtig, auf weißen Terror mit rotem Terror zu antworten. Und
wenn das den Kleinbürgern mißfällt, dann wird es der selbe Preis sein, denn
wenn diese Klasse behauptet, sich nach moralischen Werten eines humanistischen,
idealistischen und erstarrten Bewußtseins zu richten, so kämpfen die
Proletarier nicht, um sich mit einem innewohnenden Bewußtsein voll zu füllen,
sondern für ihr Leben, sowohl fur ihren Alltag als auch für ihr historisches
Werden, ihr Leben das beschlagnahmt, niedergewalzt und ent-fremdet ist. Die
philosophische Nuance ist erheblich, auf seiten der Bourgeoisie gibt es ein
vollendetes, ausgebiletes Bewußtsein und es geht darum, die objektive Realität
mit den moralischen Werten dieses Bewußtseins in Übereinstimmung zu halten,
während es auf seiten der Proletarier weder eine vollendete Moral noch ein
vollendetes Bewußtsein gibt, sondern nur ein wesentliches Vorrücken eines
Bewußtseins durch die Umwandlung der objektiven Realität, eine Dynamik die das
Auftreten von neuen Werten miteinbezieht. Auf der einen Seite also der Anspruch
auf eine Immanenz der Tatsachen und Werte, auf der anderen Seite, unserer
Seite, bewußte Unterwerfung an eine Transzendenz, unter anderem die
Transzendenz der Geschichte, die den Gang der Welt durchläuft. Radikaler
Unterschied.
— Daher brauchen die kommunistischen Partisanen keinerlei Demagogie
einzusetzen, man braucht sich nicht « beliebt » zu machen und die
Frage, ob revolutionäre Aktionen auf Zustimmung oder Ablehnung stoßen, stellt
sich nur in einer historischen, strategischen Perspektive und vor allem in
einem Klassensinn, das heißt ausschließlich in Funktion der bestimmten sozialen
Schichten an die sich die revolutionäre Politik richtet und nicht in Funktion
der « Leuten » im allgemeinen ( dieser Begriff ist
bedeutungslos, außer für die Subjektivisten, die « Gesellschaft »
und « Staat » gegenüberstellen ). Der bewaffnete
Kampf kämpft gegen das Aufgeben, die Entmutigung und die Passivität indem er
zeigt, daß es eine wirkliche Oppositionspolitik, eine Praxis des realen Bruchs
geben kann, daß die Furcht das Lager wechseln kann, die Straflosigkeit und
Permanenz der Ausbeuter und Unterdrücker nichts entgültiges sind, das auch für
die Unterdrückten Angriff möglich ist. Darin versucht der bewaffnete Kampf das
mitzuteilen, was wirklich eine neue Mentalität sein muß : »wagt
es zu kämpfen, wagt es zu siegen » !, was der Funktion der Bewustseinsbildung
des bewaffneten Kampfs an sich entspricht.
5.
Die
Frage der Organisation in dem bewaffneten Kampf.
Diese Funktion
der bewaffneten Propaganda muß zusammen mit den anderen vielfältigen Formen der
politischen Aktion ( insbesonders Massenarbeit ) während dieser
Phase organisatorische Ausdruckformen finden. Es genügt nicht, Aktionen
durchzuführen, auch wenn sie strategisch miteinander verbunden sind, sondern
diese müssen unter allen Umständen innerhalb des Proletariats eine Kontinuität
haben. Zu dieser Hauptbeschäftigung stoßen wir auf die Frage der
Sympathisanten, ein sehr verworrener Begriff, der jeden politischen wie
militärischen Opportunismus erlaubt ( wie uns die beklagenswerte Schwäche und
Isolierung gegenüber der Repression derjenigen zeigt, die sich nicht scheuen,
sich in ihrer bewaffneten Praxis auf unpolitische Individuen, Straftäter,
ausgeflippte Kleinbürger und Anarchisten abzustützen, und sich selber als « Kommunisten »
bezeichnen usw ; es wäre zum Lachen, wenn die menschlichen und
ideologischen Folgen nicht so schwerwiegend wären ).
Wir denken, daß
die Abschottung der Strukturen absolut sein muß, daß die Partisanen ihre
politische Zugehörigkeit völlig geheim halten müssen und daß die Organisation
total hermetisch sein muß. Was versteht man nun dem gegenüber unter Sympathisanten ? Wenn wir uns das Beispiel von
bestimmten Gruppen ansehen, dann konte man denken, daß es « Sympathisanten
der Guerilla » gibt, Leute die mit Formen des bewaffneten
Kampfs sympathisieren, wozu jede ideologische Welle ausreicht, und die Rolle
der « Militanten » wäre dann, diesen sogenannten
Sympathisanten die Soße zu liefern, mit der alles umhüllt wird, das heißt eine
ritualisierte, konfuse, mechanische Phraseologie, zusammengesetzt aus
idiotischen Wortneuschöpfungen ( in Frankreich geschieht das vor allem
indem man nach einigen Phrasen von achtundsechzig greift, die an einem
unver-ständlichen Salat von italienischen und deutschen Wörtern umformiert
werden, was einem Denken von verzweifelnder Armseligkeit einen « seriösen »
Anstrich gibt ). Das Resultat ist, daß wir in diesen Gruppen
gänzlich unpolitische Ausgeflippte, Bullen, Spitzel, Humanisten die
existenziell auf Abwege geraten sind, sehen, die an bewaffneten Aktionen
teilnehmen, bewaffnete Raubüberfälle durchführen, sich um Logistik kümmern,
Verantwortlichkeit und andere Ungereimtheiten übernehmen. Wir unsererseits
erklären, daß eine wirkliche kommunistische Organisation keine aktiven
Sympathisanten haben kann, die man als « Sympathisanten des bewaffneten Kampfes »
bezeichnen könnte. Der bewaffnete Kampf muß dem höchsten Niveau des Engagements
entsprechen, dieser kann sich nur auf einem hohen Stand des politischen
Bewußtseins abstützen, an ideologischer Festigkeit, theoretischer Ausbildung
und militanter Erfahrung. Ansonsten läßt der Wunsch, sich als Kämpfer oder
aktiver Sympathisant zu engagieren, nur ein militaristisches,
abenteuerlustiges, im besten Fall manipulierbares Individuum erkennen. Für
Militaristen und Abenteurer darf es aber keinen Platz in einer kommunistischen
Organisation geben.
Ganz anders stellt sich die Frage für Personen, die sich wirklich im Volk
eingefügt haben, die kämpferisch sind, sozial und psychologisch klar sind und
die den kämpfenden kommunistischen Ideen in der Ganzheit ihres politischen
Bewußtseins, und nicht in Teilaspekten, nahestehen. Es ist besser sich auf
aufrichtige und solide Kommunisten abzustützen, statt auf Leute, die den
bewaffneten Kampf billigen, ihn unterstützen wollen, aber keine kommunistischen
Militanten sind. Das muß man begreifen, um die notwendige Ausbildung
politischer Kader, Führer und vermittelnde Kader der Guerilla und der
Massenbewegung absichern zu können. Die Existenz von Massenkadern, die nicht in
der Guerilla aufgehen, ist eine absolute Notwendigkeit in jeder historischen
Situation und überall in der Welt, sie ist die unausweichliche Voraussetzung
nicht nur für die qualitative und quantitative Entwicklung der revolutionären
Kräfte, sondern auch für das einfache Überleben der Guerilla angesichts der
feindlichen Gegenangriffe, indem sie einen ständigen Wiederaufbau der
Strukturen ermöglicht, wenn diese während dem Zusammenstoß Einbußen erleiden.
Der militärische Gegenschlag der Bourgeoisie drängt die ursprünglichen
Strukturen in eine völlig unproduktive Defensive und verwandelt den
revolutionären Kampf in einen einfachen Kampf zwischen einer Gruppe bewaffneter
Rebellen und dem Staat ( eine Lage, die angesichts des ungleichen
Kräfteverhältnisses kaum länger zugunsten der Guerilla andauern kann ),
falls es nicht innerhalb der Volksmassen Partisanen gibt, die die politischen
Fähigkeiten haben, in ihrem Bereich die quantitative Entwicklung fortzusetzen,
ständig die vernichteten Kampfeinheiten wieder aufzubauen und mit der
Ausarbeitung und dem Funktionieren der politischen Linie weiterzumachen. Die
Rolle dieser Massenkader ist es, eine politische Massenpraxis zu organisieren
und durchzuführen, die sich in ihren Entscheidungen und Ausrichtungen an der
strategischen Linie der kämpfenden kommunistischen Organisation orientiert.
Dies innerhalb der bereits existierenden Massenorganisationen oder durch
Schaffung vielfältiger Formen von Massenorganisationen, die notwendig sind, um
die Kämpfe für die unmittelbaren Bedürfnisse des Proletariats führen zu können,
unabhängig von den Organisationen der Klassenzusammenarbeit. Durch diesen
Prozeß erfolgt das qualitative und quantitative Anwachsen der Guerilla, weil
nur aus dieser politischen Massenpraxis die proletarische Avantgarde
hervorgehen kann, aus der die organisierten kommunistischen Kämpfer hervorgehen
sollen. Das bedeutet, daß die Organisation kein Mühe scheuen darf, die
erforderlichen politischen und strukturellen Mittel anzuregen, um im Volk die bewußtseinsweckende
Aktion des revolutionären bewaffneten Kampfs zu verstärken, da das
Klassenbewußtsein sich in dem Maße entwickelt, wie das Proletariat sich
politisch organisiert, allein die Tatsache, daß bewaffnete Aktionen
durchgeführt werden, genügt natürlich nicht, um die Organisation entstehen zu
lassen. Folglich sind Instrumente für eine nichtbewaffnete politische Aktion
notwendig. Mittel für die Agitation, für die Propaganda, der Popularisierung
der Kampfaktion der Massenorganisation in bestimmten Teilbereichen, der
theoretischen und politischen Ausbildung sowohl der Untergrundpartisanen als
auch der politischen Massenkader.
6.
Der
Aufbau der Organisation kann nicht mit einer Frontpolitik identisch sein.
Diese politische
Aktion der Organisation und der Ausbildung der in vorderster Linie stehenden
Elemente der Volksmassen beinhaltet ein weiteres strategisches Ziel, das zur
Phase der bewaffneten Propaganda gehört. Die kämpfende Organisation darf nicht
eine Koordinierung von Gruppen, weder eine Front noch eine Koordinierung von
Fronten sein, sondern sie muß homogen, monolitisch, genau strukturiert und in
ihrer Führung zentralisiert sein. Dann setzt die Phase der bewaffneten
Propaganda diesen Prozeß der Strukturierung und Vereinheitlichung / Zentralisierung fort, aber sie muß ebenfalls
dieses Ziel ausweiten. Die bewaffnete Propaganda ist die erste Form des
konkreten Auftretens der Politik des bewaffneten Kampfs für die kommunistische
Revolution, sie ist die öffentliche Äußerung der politischen Linie der kämpfenden
kommunistischen Organisation. Diese Praxis muß die Richtigkeit der befolgten
Linie zeigen, indem sie politische und militärische Erfolge davonträgt, indem
sie sich sichtbar entwickelt und von den Schlägen der feindlichen Abwehr
weniger betroffen wird als andere. Diese Phase muß also eine
anti-sektiererische Politik der politschen Öffnung, des Dialogs, der
politischen und theoretischen Konfrontation umfassen, welche den Prozeß der
Einigung unter den Revolutionären fördern muß. Wir gehen allerdings nicht von
dem illusorischen Grundsatz einer « natürlichen » Einheit aus, von
einer Einstellung des « wir sind alle Brüder trotz unserer Unterschiede im
Detail », was spontane Annäherungen und Anläufe zum
einträchtigen Miteinander legitimieren würde, nein, und es sind sicherlich
nicht die Formen des Kampfes die ein Kriterium für politische Nähe bilden
können. Nochmals, wir sind gegen Frontpolitik, wenn es um strategische Fragen
geht wie sie vom revolutionären bewaffneten Kampf gestellt werden, wir sind
gegen die Tatsache, sich mit politischen « Umfeldern »
zu identifizieren. Die Einigungsprozesse zwischen Organisationen, Strömungen
und Gruppen sind nur mit einer sehr schrittweisen, politisch sehr vorsichtigen
Annäherung denkbar, in deren Verlauf die betroffenen Gruppen sich objektiv
wandeln. Das was vereinigen kann ist auf keinem Fall ein Zusammenschluß und
auch nicht Bündnisse, sondern der politische Kampf, die Konfrontation, der
Kampf zwischen zwei Linien, das heißt der Ablauf des Klassenkampfs innerhalb
der revolutionären Bewegung selbst. Das umfaßt eine intensive politische und
theoretische offene Praxis : Thesen,
Analysen, Orientierungen ( natürlich nicht die taktischen )
müssen weitgehend bekannt, und von den Revolutionären kritisch diskutiert
werden.
Mit der politischen und ideologischen Aktion des bewaffneten Kampfs an sich
und der vielfältigen politischen Aktion der kommunistischen Organisation
innerhalb der proletarischen Massen ist diese Praxis des offenen politischen
Kampfs innerhalb der revolutionären Bewegung ( und in der
politischen Szene im Allgemeinen ) die dritte politische Funktion, über die
die kommunistische Organisation verfügt, um sich qualitativ und quantitativ
fortzuentwickeln.
VII.
Hin zum
revolutionären Bürgerkrieg
1.
Während
der Phase der bewaffneten Propaganda entstehen die Voraussetzungen für den
revolutionären Bürgerkrieg.
Die Phase der
bewaffneten Propaganda bereitet somit auf allen Ebenen die darauffolgende Phase
vor, doch der augenfälligste Vorgriff ist zweifellos die objektive Aktion des
bewaffneten Kampfs ( wenn auch beschränkt auf ihr propagandistisches
Stadium ) auf die Voraussetzungen des Kräfteverhältnisses.
Obwohl es sich noch nicht um eine Praxis handelt, welche das Kräfteverhältnis
direkt verändert, sprechen wir von den Voraussetzungen dafür. Diese Funktion
ist evident, allein die Tatsache, daß sich ein bewaffnetes Dissidententum [ das führt dazu, daß auch wenn wir in
Frankreich die derzeit öffentlich existierenden französischen bewaffneten
Gruppen radikal kritisieren, wir jedoch nichtsdestoweniger jede politisch
bewaffnete Äußerung begrüßen, die sich als revolutionär versteht, alles was die
Unsicherheit der Demokratie verstärken kann, ist uns augenblicklich günstig ] äußert, begünstigt den Prozeß der
Militarisierung der kapitalistischen Führung, die Zuspitzung der Widersprüche
der bourgeoisen Demokratie, die Militarisierung der Politik.
Während dieser
Phase versucht die Guerilla natürlich nicht, militärisch zu siegen, doch ihre
Störtätigkeit und die Vervielfachung der Aktionen drängen den bourgeoisen Staat
in die Defensive, was ja gerade angestrebt wird ( es muß soweit
kommen, daß Sandsäcke vor jeder Bank gestapelt sind ; jeder Bau der
Arbeit-geberschaft, der Polizei, der Armee, der Justiz, der Politiker muß von
Stacheldraht umgeben sein ). Die Dialektik des revolutionären
Prozesses führt genau durch diese Reaktion. Denn derzeit erstreckt sich die
bourgeoise Diktatur über den gesamten sozialen Bereich bis in die Köpfe hinein,
wenn sie aber gezwungen ist, sich defensiv neu zu formieren indem sie sich noch
stärker militarisiert, dann läßt sie eine neue subjektive Distanz zwischen sich
und den Volksmassen in Erscheinung treten. Das Gefühl der Legitimität der
imperialistischen Diktatur gerät ins wanken, sobald sich die
Herrschaftsfunktionen konzentrieren und als solche in Erscheinung treten, statt
im gesamten sozialen Kontext aufgelöst zu sein. Das was übrigens Marx sagte :
« Der revolutionäre
Fortschritt erfolgt durch die Schaffung einer mächtigen und vereinheitlichten
Konterrevolution, durch die Schaffung eines Feindes, der die Partei des
Aufstands dazu führen wird, durch den Kampf die Reife zu erlangen, die aus ihr
die echte revolutionäre Partei macht ».
Die
Militarisierung des Klassenkampfs, begünstigt durch die Guerilla, führt zu
einer Verengung der Abstützbasis des imperialistischen Staates und damit zu
einer fortschreitenden institutionellen Destabilsierung, bis dem Kapitalismus
als einziger Garant nur noch die bewaffnete Macht bleibt. Dieser Prozeß ist
ideologisch und politisch zu verstehen, insofern der revolutionäre bewaffnete
Angriff die Zuspitzung bestimmter Widersprüche bewirkt :
dort wo sich die Beziehungen zwischen der bourgeoisen Macht und den
Proletariern befinden.
Die soziale Übereinstimmung beruht auf dem Funktionieren der bourgeoisen
Demokratie, mit allen formellen Ausdrucksfreiheiten, der Vereinigung usw ... die das ebenso benötigt, Freiheiten,
welche die Bourgeoisie absolut einschränken oder abschaffen muß, wenn sich eine
bewaffnete Politik entwickelt. Falls das bourgeoise System jedoch die
demokratischen Grundlagen verliert, aufgrund deren es funktioniert, so wohnt
man einer Einschränkung, Schwächung und Zerbrechlichkeit der bourgeoisen Macht
auf den politischen, ideologischen und sogar psychologischen Ebenen bei. Und
auch das entspricht somit dieser Funktion des bewaffneten Kampfs, nämlich eine
tiefgreifende Trennungslinie zwischen dem Feind und uns zu ziehen. Diese
Trennungslinie unversöhnlich zu ziehen heißt, jedem nur noch eine einzige
unumgängliche Alternative zu lassen : Revolution
oder Konterrevolution. Und es wird ein erheblicher politischer und
ideologischer Fortschritt sein, die umgebende Begriffsverwirrung zu beseitigen,
die Übereinstimmung über den Haufen zu werfen, indem jede einzelne politische
Kraft gezwungen wird, ihr Lager zu wählen. Manche ( Ultralinke,
verschiedene Linksradikale, Anhänger von Bewegungen aller Art und alle die, die
aufgrund ihres sozialen Status etwas zu verlieren haben, in der Art dieser
berühmten « Freiheiten », aus denen nur sie die einzigen sind die
irgendein Nutzen heraus ziehen ) werden uns kritisieren, indem sie sagen,
daß diese Strategie die traditionellen politischen Kräften nur enger um den
Staat scharen wird. Das ist richtig und auch gar nicht negativ, sondern genau
das, was wir anstreben. Die Frage stellt sich, ob wir die Revolution wollen,
oder ob wir dafür sind, daß der bourgeoise Staat von weiter « links »
stehenden Kräften verwaltet wird. Wenn wir die Revolution wollen, dann müssen
die revolutionären Kräfte als einzige echte Opposition, als einzige wirkliche
unterschiedliche Alternative erscheinen. Und darum ist es eine ausgezeichnete
Sache, wenn die konterrevolutionären Kräfte aller Tendenzen, die das
institutionelle Spiel in Gang hielten, indem sie sich als oppositionell
ausgaben, ihr wahres Gesicht zeigen und sich noch enger um die imperialistische
Oligarchie gruppieren, was das politische Feld für das Eindringen einer echten
Opposition um den revolutionären Kampf herum, öffnet.
2.
Die
Endphase des revolutionären Krieges für die Übernahme der Staatsmacht.
Durch die damit
verbundene objektive Radikalisierung bereitet die Phase der bewaffneten
Propaganda die folgende Phase vor, indem sich zunächst das Feld für eine
politisch-militärische Auseinandersetzung ergibt, das sich dann in Form eines
revolutionären Bürgerkriegs ausdrückt, dessen militärische Form die Guerilla
sein wird, die das gesamte in Betracht gezogene Gebiet und den gesamten
sozialen Kontext erfaßt. Es handelt sich um einen Guerillakrieg, bis auf die
Endphase, in der sich bereits in weiten Gebieten die proletarische Macht
konstituiert ( an 1. Stelle dort, wo der revolutionäre Kampf mit
einem nationelen Befreiungskampf des Volkes zusammenfließt, in « Frankreich » :
zunächst einmal Euskadi, Bretagne, Korsika ... ) und das in einem komplizierten Kontext
des langandauernden Prozesses mit vielfältigen internationalen militärischen
und diplomatischen Verwicklungen, wie sie zum politisch-militärischen
Kräfteverhältnis gehören, und was diese befreiten Gebiete lebensfähig macht,
das heißt die weitere Vernichtung von Zonen weißer Macht durch Offensiven des
konventionellen Kriegs ( klassisch und modern ).
Die Phase der ausgedehnten Guerilla zielt anders als die der
bewaffneten Propaganda auf politisch-militärisch Siege ab, welche das Kräfteverhältnis
tatsächlich verändern. Und zwar durch Störaktionen, Vernichtung feindlicher
Mittel, welche den Feind binden, ihn zwingen, sich von den Bevölkerungen zu
isolieren, sich auf bestimmte Orte zu konzentrieren oder seine Kräfte zu
verteilen und dadurch verwundbar zu werden. Bezweckt wird damit, daß der Feind
sich in diesem Prozeß der Militarisierung und des Selbstschutzes immer tiefer
verstrickt, daß er zu einem wachsenden Sicherheitsaufwand genötigt wird, der
normalerweise nicht nur auf seinen eigenen Kräften beruht, sondern auf dem
gesamten sozialen Funktionieren und seiner vielfältigen institutionellen Netze
( daher die « Sicherheitsdoktrin », die in
Westeuropa und früher in Lateinamerika auf Anstoß von Nordamerika übernommen
wurde und in der äußere militärische Sicherheit, innere militärische
Sicherheit, wirtschaftliche Sicherheit, politische und zivile Sicherheit im « sozialen
Frieden » miteinander verbunden werden ).
Der imperialistische Staat beginnt dann zu zerfallen, um seinen zentralen Kern
politisch-militärischer Macht erhalten zu können, was seinerseits der
revolutionären Bewegung zugute kommt, da der Prozeß der institutionellen
Auflösung und des Unfähigwerdens der Mechanismen der bourgeoisen demokratischen
politischen Macht zur Entwicklung von direkter Machtsentfaltung des
Proletariats über punktuelle oder ständige Massenorganisationen, revolutionäre
Betriebsausschüße, Stadtviertelräte usw ... und Massenkampfstrukturen beiträgt, die schon
in der Phase der bewaffneten Propaganda in unterschiedlichen Formen entstehen
müssen und sich mit der orientierenden Leitlinie, Organe der direkten Macht der
Volksmassen zu sein, befestigen mussen.
Politisch-militärisch gesehen zielt die Phase der Ausweitung der Guerilla
darauf ab, schrittweise eine Ausgewogenheit des Kräfteverhältnisses zu
erreichen. Die Entwicklung der Offensivfähigkeiten der kommunistischen Kräfte
sowie ihre dialektische Begleiterscheinung durch den Zerfall der
institutionellen der bourgeoisen Macht werden schrittweise diesen Gleichstand der
Kräfte erreichen und sie dann in einer Endphase umkehren in der das Proletariat
sich aufmacht, den bourgeoisen Staatsapparat völlig zu zerstören, die Macht der
Poletarier allgemein einzuführen und zu stabilisieren, die bereits während des
revolutionären Klassenkriegs in Erscheinung getreten ist. Die Endphase, in der
das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten umgekehrt wird, wobei es zweifellos zu
einer größeren Vielfalt strategischer Offensiven, der Fortsetzung / Entwicklung der Guerilla zu Formen des konventionellen
Kriegs zwischen unterschiedlichen Machtbereichen kommt, lokal oder regional
durch insurrektionelle Machtübernahmen.
3.
Zusammenfassend
ist die bewaffnete revolutionäre Strategie die moderne Methode, die notwendig
ist für die kommunistische Revolution im heutigen imperialistischen Westen.
Wir möchten in
diesen Zeilen besonders zu verstehen geben, daß es Zeit ist, daß der bewaffnete
Kampf nicht länger als eine Art technisches Spielzeug, als vom Himmel gefallene
Erfindung, als eine neue etwas verzweifelte Form des Kampfs erscheinen soll,
der uns weiter als irgendwelchen romantischen Purismus entsprechen würde. Es
handelt sich weder um eine Neuigkeit, die völlig abgetrennt von der Geschichte
auftaucht, noch um die Wiederholung vergangener und damit überholter
historischer Formen, sondern es handelt sich um die moderne Form eines Kampfes
der fest in der Kontinuität der Geschichtsbewegung verankert ist.
Ausschließlich in diesem Rahmen muß man nicht nur die Notwendigkeit des
bewaffneten Kampfs begreifen, sondern ihn auch organisieren und strategisch
meistern als das, was am Ende des 20. Jahrhunderts im Herzen der herrschenden
Metropolen eines imperialistischen Systems, dessen kapitalistische
Produktionsweise sich seinem Ende nähert, die historische Kontinuität zum
Ausdruck bringt, die über die Kommune von 1871 und die Oktoberrevolution führt.
Selbstverständlich
erheben diese Zeilen keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, es handelt sich
nur um ein sehr allgemeines Schema, um strategische Orientierungen, jeder Punkt
muß gründlich untersucht, ergänzt werden und jeweils
auf die allgemeine Strategie zurückgeführt werden. Das ist die Aufgabe, die
sich aus einer Notwendigkeit ergibt, die der revolutionären Theorie. Es geht
übrigens nicht darum, über rein taktische Fragen öffentlich zu diskutieren, das
würde nur zur Information des Feindes dienen und nicht der Revolutionären,
welche dem doppelten Grundsatz größerer strategischer Strenge und größerer
taktischer Flexibilität verpflichtet sind ( wobei
jeder seiner Phantasie freien lauf lassen muß ! ).
Eine revolutionäre Theorie, in der wir mit großen Schritten in allen Bereichen
voranschreiten müssen ( politisch und militärisch, aber auch sozial,
wirtschaftlich, philosophisch, kulturell usw. ) weil man sich
ganz absolut, unnachgiebig und wiederholt klarmachen muß, das heute wie vor
sechzig Jahren und wie es auch weiter der Fall sein wird : »
Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Bewegung ». Die unerläßliche
Aufgabe der dynamischen und permanenten Ausarbeitung der kommunistischen
revolutionären Strategie nicht anzunehmen, würde bedeuten, daß man damit
einverstanden ist im Kreis zu drehen, daß man die Verzweiflung, die
Mittelmäßigkeit leichter Ersatzlösungen mit gutem Gewissen in den kleinen
Widerständen die zu nichts führen, akzeptiert. Den Staat, den Faschismus, den
Rassismus, die verschiedenen Symptome des Imperialismus, die Repression, eine
Menge von Dinge zu « bekämpfen », immer « gegen »,
kann punktuell nützlich sein, ist aber nur ein Zeichen von existentiellen Militantismus,
während wir den Mut haben müssen zuzugeben, daß das nur Luft ist, etwas was zu
nichts führt. Das soll einmal ganz klar und brutal gesagt sein, statt in der
Ohnmacht kleiner Formierungen mit gutem ( und wenn auch bewaffneten ! )
Bewußtsein abzudanken, sollte sich dann schon besser jeder auf seine Insel
zurückziehen, den Stränden des Pazifiks oder Möhren in der Pampa anpflanzen.
Oder aber etwas wagen, wagen zu triumphieren, wagen die Geschichte am
Rockzipfel zu fassen, sie zu unserer zu machen, indem wir sie mit unserem
Willen nach Freiheit zurechtschmieden. Wir können Erbauer und Eroberer sein,
wenn wir uns bewußt machen, daß eine neue Welt in Reichweite liegt, wenn wir
nur die Hand ausstrecken wollen.
Die Entwicklung der Zivilisation ist an
dem entscheidenen Punkt angelangt, von wo sie aus der Urgeschichte heraustreten
kann und das heute Mögliche hat die gleichen Dimensionen wie die Entfremdung,
die Unterdrückung, das Übermaß an Entmenschlichung einer in voller Fäulnis
begriffenen Gesellschaft. Unsere Generation hat somit erstmalig seit
Jahrtausenden die Möglichkeit, zum Kommunismus zu gelangen, die Türen zur
Befreiung des Individuums und zur Befriedung aller menschlichen Bedürfnisse
weit aufzustoßen, uns das zu unseren Lebzeiten. Unsere Generation ist die,
welche die ersten Schritte der Menschheit in das Zeitalter des Kommunismus
macht.
Frédéric Oriach
Ersten mai 1985